Welche Pasta wozu?

Welche Pasta wozu?

Die Mythen und Theorien über den Ursprung der Pasta sind zahlreich und widerspüchlich. Natürlich ist es naheliegend anzunehmen, dass jede Kultur, die Weizenmehl kennt, auch auf die Idee kommt, daraus mit Wasser einen Teig zu kneten, der formbar und in getrocknetem Zustand besser haltbar ist als Brot. Und wahrscheinlich wurde diese Technik an verschiedenen Orten unabhängig voneinander erfunden.

Doch ganz so einfach ist das nicht, denn mit den meisten Getreidesorten gelingt das nicht. Es braucht schon sehr proteinreiche Sorten wie Hartweizen, die genügend Klebe-Eiweiß (Gluten) enthalten, um einen festen und elastischen Teig zu erhalten. Alles andere zerbröselt oder bleibt ein Brei. Man kann zwar die fehlenden Klebekräfte durch die Zugabe von Ei ersetzen, doch leidet dadurch die Haltbarkeit.

Wer hat’s erfunden?

Man ist sich einig, dass die Kunst, Nudeln herzustellen, in China schon seit Jahrtausenden verbreitet war, aber wie war es in Ägypten, in Mesopotamien, in Griechenland und Rom? Hat man in Italien schon vor 2000 Jahren Pasta gegessen? Und wenn ja, wie sah sie aus? Es gibt ja gerade aus römischer Zeit einige erhaltene Texte über Agrikultur und Kochen mit vielen Rezepten. Das Problem dabei ist, dass sie zwar darüber informieren, was verwendet wurde, aber nicht, wie es verarbeitet wurde. Oft erfährt man nicht einmal, ob eine Zutat in Wasser gekocht, in der Pfanne gebraten oder im Ofen gebacken werden soll. Es gibt aber Indizien dafür, dass flach gewalzte Teigblätter, ähnlich der heutigen Lasagne, bei Griechen, Etruskern und schließlich auch bei den Römern bekannt waren, und sicher kam man auch auf die Idee, daraus Nudeln zu schneiden.

Haltbare Pasta – eine Nahrung von Wüstennomaden?

Die getrocknete, haltbare Pasta wurde wahrscheinlich eher von arabischen Wüstennomaden erfunden, die auf ihren Wanderungen nicht in der Lage waren, dauernd frische Pasta zuzubereiten. In Verbindung mit getrockneten Hülsenfrüchten ist das eine äußerst praktische und gesunde Nahrung für lange Wüstenreisen! Vermutlich war es die arabisch-berberische Muslimkultur in Nordafrika, die die Technik der Pastaherstellung über Sizilien nach Europa brachte. Von dort sprang der Funke nach Neapel über und weiter nach ganz Italien. Auch die intensiven Kontakte von Venedig zu Byzanz und dem Orient sind eine mögliche Quelle dieser Kochtechnik. Allerdings ist der Mythos, Marco Polo hätte das Konzept der Pasta aus China nach Venedig gebracht, sicher falsch. Um 1350 erzählt Giovanni Boccaccio in seinem Decamarone über Ravioli, Maccheroni und geriebenen Parmesan. Spätestens damals muss diese Kochkultur also längst etabliert gewesen sein. Speziell das Gebiet um Neapel entwickelte sich zur Hochburg der Pastaproduktion. Große Teile der Bevölkerung waren mit der handwerklichen Herstellung beschäftigt und von hier aus wurden die Nudeln in den gesamten Mittelmeerraum exportiert. Erst im 19. Jahrhundert begann eine maschinelle Produktion durch die Erfindung von Knetmaschine, Teigpresse und Trocknungsofen. 1911 eröffnen die Brüder Barilla die erste Fabrik in Parma und heute ist die Po-Ebene der größte Pastaproduzent der Welt.

Man unterscheidet in Italien drei Grundtypen: die getrocknete Pasta aus Hartweizengrieß und Wasser, die hauptsächlich industriell hergestellt wird, die frisch zubereitete Pasta fresca aus normalem Weizenmehl und Ei sowie Gnocchi aus Weizenmehl und gekochten Kartoffeln. Zusätzlich wird in den Bergregionen der Alpen auch Buchweizenmehl verwendet. Bei Pasta gibt es das außergewöhnliche Phänomen, dass Handgemachtes und Industrieprodukt friedlich und gleichberechtigt koexistieren. Für manche Rezepte ist ein frisch gemachter Nudelteig absolute Voraussetzung, für viele andere ist aber oft das Produkt aus der Pastafabrik die bessere Wahl, es kommt ganz auf die Zutaten an.

Entfesseltes Food-Design

In jedem Fall ist der elastische und formbare Teig die Grundlage für ein entfesseltes Fooddesign, das wie bei keinem anderen Lebensmittel mit der haptischen Wahrnehmung im Mund spielt. Unzählige unterschiedliche Formen und Oberflächenstrukturen bewirken, dass ein und dasselbe Lebensmittel einen ganzen Kanon an unterschiedlichen Wirkungen erzeugen kann, wobei der Geschmack ja immer gleich bleibt, der Unterschied liegt nur in der haptisch-taktilen Wahrnehmung im Mundraum: bissfest, glatt, strukturiert, rutschig, weich, elastisch, hohl, rund, dick, dünn, klein, groß, lang und kurz … alle diese Eigenschaften werden beim Essen gespürt, bilden eine haptische Struktur, die dann mit der aromatischen Komponente des Sugo ergänzt wird. Struktur und Aroma, wie Leinwand und Farbe, wie Rhythmus und Melodie.

Keine andere Speise macht den Designprozess beim Kochen und das duale Erlebnis beim Essen so deutlich wie Pasta.

Formenvielfalt und Sprache

Hunderte Namen für verschiedene Pastaformen wurden und werden in der italienischen Sprache verwendet, die eigene grammatikalische Systeme benutzt, um die Formenvarianten präzise zu bezeichnen. Durch das Anhängen von unterschiedlichen Endsilben an den Namen des Pastatyps werden Aussagen über Größe und Proportion seiner Form gemacht. Der Name bezeichnet die Form und der Anhang die Abweichung von der Norm:

-elle / -elli    -> breitere
-ette / -etti    -> schmälere
-ine / -ini    -> kleinere, dünnere
-one / -oni    -> größere, dickere

Spaghettini sind extradünne Spaghetti und Spaghettoni sind die ganz dicken. Besonders breite Bandnudeln (Tagliate – „Geschnittene“) nennt man Tagliatelle. Tortelli sind gefüllte Teigtaschen, Tortellini sind das Gleiche in Klein und Tortelloni sind größer als normal. Alles klar? Weitere Namenszusätze bezeichnen die Beschaffenheit der Oberfläche und die Länge des Nudeltyps:

– lisce / lisci    -> glatte
– rigate / rigati    -> gerillte
– mezze / mezzi    -> gekürzte, halbierte

Form folgt Funktion

Die verschiedenen Formen und Oberflächenstrukturen sind nicht nur ein Spiel mit unterschiedlichen haptischen Wahrnehmungen im Mund. Es geht vor allem um eine optimale Verbindung mit verschiedenen Typen von Pastasaucen und Zutaten. Form und Oberflächenstruktur entscheiden darüber, wie viel oder wie wenig von der Sauce in der Pasta aufgenommen wird. So sind zum Beispiel Spaghetti diejenige Pastaform, die am wenigsten aufnimmt, ideal für Saucen auf Basis von Olivenöl wie Aglio Olio oder Pesto Genovese. Man will ja nicht mit jedem Bissen einen Teelöffel Öl schlucken, sondern nur eine Spur davon als Geschmacksträger auf der Nudel spüren. Bei Ragouts und stückigen Saucen ist eine stärkere Verbindung erwünscht. In Hohlformen und Rillen kann mehr Sugo aufgenommen werden. Ausserdem haben die verschiedenen Teigtypen unterschiedliche Hafteigenschaften. Frische Eierpasta nimmt viel von der Sauce auf, während getrocknete Hartweizennudeln sich dagegen eher wehren, und der flaumige Kartoffelteig der Gnocchi saugt natürlich ganz besonders.

Spaghetti Bolognese sind eigentlich ein grober Schnitzer!

So gesehen sind die außerhalb Italiens so beliebten Spaghetti Bolognese eigentlich ein grober Schnitzer. Das aromatische Ragù alla Bolognese verlangt nach einer innigen Verbindung mit der Nudel und wird in seiner Heimatstadt Bologna mit frisch gemachten Tagliatelle (Eierbandnudeln) gegessen. Oder wenn schon mit Hartweizenpasta kombiniert, dann mit einer kurzen, gerillten Hohlform wie Penne rigate, aber niemals mit glatten Spaghetti, die sich gegen eine Verbindung mit dem Ragu geradezu wehren.

 


Getrocknete Hartweizenpasta (pasta di semola di grano duro)

Pasta aus Hartweizengrieß und Wasser wird ohne Ei heute hauptsächlich industriell hergestellt. Was nicht heißen muss, dass sie schlechter als frisch hergestellte Pasta ist. Für viele Saucen ist sie sogar die bessere Wahl, vor allem wenn es um Saucen auf Basis von Olivenöl geht. Hartweizenpasta kann man zwar theoretisch auch selbst herstellen, jedoch hat das wenig Sinn, weil man die Qualität der Industrieware nicht erreichen wird.

Getrocknete Pasta der großen italienischen Produzenten aus dem Supermarkt ist durchaus brauchbar. Allerdings gibt es noch höhere Qualitäten von meist kleineren Herstellern, die den Teig langsam durch Düsen aus Bronze pressen und damit eine raue, ganz leicht aufgerissene Oberfläche erreichen, während die Industrie meistens „schnelle“ Teflondüsen verwendet, was ein glattes und eher glänzendes Produkt ergibt. Auf der rauen Oberfläche haftet die Sauce besser.

 

Bildschirmfoto 2014-11-21 um 13.31.00

 

A.) Pastine, Pasta minuta (kleine Pasta)
Stelline, Capellini d‘Angelo, Risoni, Buchstaben und alles, was wirklich klein ist.

Nur als Suppeneinlage

B.) Pasta lunga (lange Pasta)
Spaghetti, Bigoli, Bavette, Ziti, Bucantini, Vermicelli, Linguine etc.

Saucen mit Olivenöl als Geschmacksträger (Aglio Olio, Vongole, Pesto). Für stückige und dicke Saucen eher ungeeignet.

C.) Pasta corta (kurze Pasta)
Penne, Farfalle, Fusilli, Spirale, Rigatoni, Tortiglioni, Sedani, Pipe, Orecchiette, Conchiglie, Radiatori etc.

Für dickere und stückige Saucen. Hohlformen können Stücke aufnehmen. Auf rigate (gerillt) haftet mehr Sauce als auf lisce (glatt).

D.) sehr große Pasta
Lasagne, Canneloni, Conchiglioni

wird oft vorgekocht und dann im Ofen al forno mit Sugo, Bechamel etc. fertiggegart.

 


Frische Pasta (pasta fresca)

Frisch gemachte Pasta aus normalem Weizenmehl und Eiern saugt wesentlich mehr als getrocknete Hartweizenpasta. Das Aroma des Sugo kann in den Nudelteig voll eindringen. Der Teig ist auch weicher und hat nicht so viel Biss wie Hartweizenpasta. Ideal für Saucen auf Butterbasis und kräftige Ragouts.

Von „frischer“ Pasta oder Gnocchi aus dem Supermarktregal würde ich die Finger lassen. Es zahlt sich aus, den Teig selbst zu machen: Mit ein bisschen Übung ist der Aufwand gar nicht so groß. Frische Ware ohne Haltbarkeitstricks aus einer kleinen Pastamanufaktur ist natürlich auch eine Möglichkeit.

 

E.) Pasta fresca al uovo (frische Eierpasta)
Tagliatelle, Pappardelle, Fettuccine, Spaghetti alla Chitarra, Tagliolini, Strozzapreti etc.

Saucen auf Butterbasis (Salbei, Steinpilz, Trüffel etc.) Fleisch-, Gemüse- und Tomatensaucen mit kleiner Stückigkeit und als Suppeneinlage. Ragù alla Bolognese.

>Nudelteig selbst machen

F.) Pasta ripiena (gefüllte Pasta)

Ravioli, Raviolini, Ravioloni, Tortelli, Tortelloni, Tortellini etc.

Fülle meistens auf Basis von Ricotta und Parmesan, oder im Backrohr gerösteter Kürbis.

> Gefüllte Pasta 

G.) Gnocchi di patate

von Hand geformt

Der weiche Kartoffelteig saugt besonders stark. Ideal für Butter- und leichte Tomatensaucen, auch für Fleischragouts.

> Kartoffelgnocchi

Pasta alla carbonara

Viele Legenden erzählen vom Ursprung dieser Speise, von Köhlern, die bei ihrer Arbeit getrocknete Pasta mit pancetta (Speck) und ein paar Eiern zubereiteten. Andere behaupten, sie wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg von amerikanischen Besatzungssoldaten erfunden.

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