Was die Kochgenossen beim Brösl essen:
- Laban mit Gurke, Dill und Orange – konzentriertes, abgetropftes Joghurt mit ebenso abgetropfter Gurke mit Orangensaft und Dill. Sehr erfrischend! Die anfallende Molke wird für andere Gerichte verwertet.
- Kohlrabi mit Kirschen und Haselnüssen – leicht blanchierte Kohlrabistücke in Mayonnaise mit frischen, extradunklen Kirschen und kross gerösteten Haselnüssen. Klingt abenteuerlich, ist aber absolut stimmig und köstlich; auch die Kirschen sind kein Gimmick, sondern passen hervorragend!
- Gnudi mit Topfen und Salbei – Gnudi sind eine Variante der italienischen Gnocchi, die aus Hartweizengrieß und Ricotta hergestellt werden. Die Ricottabällchen werden im Grieß gewälzt, der entzieht ihnen Feuchtigkeit und sorgt für eine feine Hülle. Bevor sie gekocht werden, müssen sie für einige Stunden im Kühlschrank ziehen. Die Gnudi werden mit Salbeibutter serviert. Statt Ricotta wird hier aber Topfen verwendet.
- Schwammerl mit Miso, Honig und Buchweizen – Diese gegrillten Pilze sind bei Weitem die beste Zubereitungsart von Kräuterseitlingen, die wir bisher kennengelernt haben. Diese Modepilze haben eine tolle, sehr feste Struktur, sind aber nahezu geschmacklos. Deshalb brauchen sie eine Aromatisierung; Miso und Honig sind dafür natürlich ideal, weil sie Süße, Säure, Salzigkeit und Umami gleichzeitig bringen. Und die gerösteten Buchweizenkörner sind knusprig wie Krokant – Chapeau!
- Valdivia-Erdäpfel mit Molke, Oregano und Schafkäse – die Kartoffelsorte Valdivia ist eine relativ junge Züchtung der Niederösterreichischen Saatbaugenossenschaft und gewinnt bei Verkostungen alle Preise. Hier kommen sie in der Molke, die bei der Laban-Produktion anfällt und sind eine absolute Köstlichkeit!
- Blutwurst mit Rettich-Kimchi – eine tadellos knusprig gebratene Blunzen mit einem fermentierten Rettich samt seinen Blättern als Kimchi, das sehr fein und nicht – wie so oft – übersäuert daherkommt.
Eine radikal moderne Küche in der traditionellen Gastwirtschaft
Mitten in der Zeit der diversen Corona-Lockdowns hat eine bunte Gruppe junger und sehr engagierter Menschen das ehemalige Wohlmutstüberl im Wiener Stuwerviertel übernommen und daraus das Brösl gemacht.
Nach wie vor versteht man sich als einfache Gastwirtschaft ohne jegliches Luxusgehabe; das vorgefundene, rustikale Interieur wurde nur minimalistisch aber sehr einfühlsam restauriert. Auch der große Schanigarten ist typisch für ein Wiener Beisl am Eck.
Damit hat sich’s aber mit Tradition – denn die Speisekarte hat absolut nichts mit dem zu tun, was man in einer Wiener Gastwirtschaft erwarten würde. Statt Schnitzel und Fritattensuppe findet man hier ausschließlich Gerichte, die man garantiert nie zuvor gegessen hat.
Das Team hat sich einer Küche verschrieben, die ausschließlich saisonale und regionale Zutaten nutzt und zusätzlich Alles im Sinne von nose-to-tail möglichst restlos verwertet. Zum Beispiel wird die Molke, die beim Abtropfen von Joghurt anfällt, für die Zubereitung von anderen Gerichten verwendet.
Das Angebot wechselt beinahe wöchentlich, denn es werden nur Produkte eingesetzt, die gerade Saison haben. Daraus wird mit viel Kreativität immer wieder Neues kombiniert und komponiert.
Und das machen die Leute vom Brösl verdammt gut!
Die Speisen sind durchaus einfach im besten Sinne: kein Schischi, keine Behübschungen, wenige Zutaten, klare Konzepte.
Es ist erstaunlich, was man aus simplen Kartoffeln, Molke und etwas Schafkäse machen kann; oder wie gut Kohlrabi und reife Kirschen harmonieren!
Dieses losgelöste, kreative Kochen verlangt neben Hingabe und Herzblut vor allem ein großes Können und eine umfassende Kenntnis der Produkte. Allzu leicht kann es in Beliebigkeit abrutschen und dem verführerischen Reiz der Überraschung in die Falle gehen: beim wiederholten Essen schmeckt’s dann nicht mehr so toll.
Unser Genosse, der Gastrosoph Lorenzo Morelli hat es einmal so ausgedrückt: “Wirklich kochen kann man, wenn man buchstäblich Alles gelernt hat und es dann wieder vergisst”.
Und dieses wirklich-kochen-können trifft auf das Team im Brösl voll und ganz zu. Federführend in der Küche ist der junge Lorenz Wallmann.
Besonders schön ist, dass dieses Können nicht in einem teuren Gourmettempel stattfindet, sondern in einer einfachen Wiener Gastwirtschaft, in der Prestigewünsche und Gourmet-Gehabe keine Rolle spielen.