Auch die Kochmoden aus der Zeit des Wirtschaftswunders haben mitunter das Potenzial zur Wiederentdeckung

Dieses Rezept der Großmutter Langoth stammt aus den 1960er Jahren. Für uns Kinder waren damals vor Allem die “Krampuswürstel” eine Sensation. Linsen mit Knödel waren sowieso eine Lieblingsspeise.

In den folgenden 1980er Jahren mit der aufkommenden nouvelle cuisine gab es dann nichts altmodischeres und peinlicheres, als das Kochen mit “lustigen” Würsteln. Die Oma-Küche und die kulinarischen Naivitäten der Wirtschaftswunder-Zeit waren komplett out. Ich erinnere mich, als wir Anfang der 1980er Jahre im Fotostudio Trizeps für das Kochmagazin “Gusto” fotografierten: Chefredakteur und Herausgeber war damals der ehemalige Fernsehkoch Heinrich Camondo, der auch alle Rezepte entwickelte und für die Fotos selbst kochte. Ich erinnere mich auch an den Eklat, als er einen Stefanibraten unter Anderem mit Frankfurtern gefüllt hatte und dieses Rezept im Magazin erschienen war. Es kostete dem armen Mann seinen Job, denn Mitte der 80er galt das als völlig unmöglich, zumindest in den angesagten Medien.

Angesagt war eine prestigeträchtige Neue Küche, die die traditionellen Kochformate mit kreativer Energie zu überwinden versuchte, teils zu Recht, nicht immer mit Erfolg. Sogenannte Haubenköche begannen Karrieren wie Popstars zu machen und brachten zuweilen eine Küche hervor, die vor Allem optisch viel hergeben sollte und Prestigebedürfnisse erfüllen musste. Später sollte sie vom Avantgardefilmer und Kunstprofessor Peter Kubelka die treffende Bezeichnung “Bemmerl- und Batzerlküche” erhalten. Und möglicherweise wird sie einmal so unmodern sein, wie einst der Leberkäs-Hawaii. Oder vielleicht ist sie das schon?

Die Krampuswürstel wurden dann von meinen eigenen Kindern entdeckt und als “Oktopus für Arme” bezeichnet; und ich selbst muss zugeben, dass sie mit ihrem rauchigen Aroma perfekt zu den säuerlichen Linsen passen, die mit einem Soffritto vom Suppengrün und Speck zubereitet werden, und natürlich mit Essig.

Ich finde, es ist einfach die beste Art, Würstel zu essen. Ganz im Ernst.

Michael Langoth

Zutaten für 4 Portionen:

  • 4 Paar Frankfurter Würstel (Wiener)
  • 800 g Linsen aus der Dose (abgetropft aber nicht abgespült)
  • 100 g weicher Speck, geräuchert
  • 100 g Zwiebel
  • 2 Zehen Knoblauch
  • 1 Bund Suppengrün (Karotte, Sellerie, Gelbe Rübe, Petersilwurzel, Lauch)
  • 2 Lorbeerblätter
  • Essig
  • 250 ml kräftige Bouillon (Rind oder Gemüse)
  • Salz & Pfeffer

Serviettenknödel:

  • 250 g Knödelbrot (Semmelwürfel)
  • 250 ml Milch
  • 3 Eier
  • 80 g Butter
  • ca. 70 g Zwiebel
  • 1 Handvoll Petersil
  • Muskatnuss
  • Salz
  • Klarsichtfolie zum Einwickeln

Zubereitung:

Serviettenknödel:

  • Eine kleine Zwiebel fein hacken und in der Butter langsam, bei geringer Hitze anschwitzen, bis sie weich und glasig ist. Die Butter sollte nicht bräunen! Dann die Hitze abdrehen und die Milch zugeben. Etwas Muskatnuss hinein reiben und diese, noch warme Mischung über das Knödelbrot gießen.
  • 3 Eier, den sehr fein gehackten Petersil und Salz dazugeben. Behutsam und gründlich vermischen, allerdings ohne zu pressen; die Semmelbröckerl sollten nicht zerdrückt werden.
  • Mit einem feuchten Tuch abdecken und 30 min ziehen lassen.
  • Ein überlanges Stück Klarsichtfolie auflegen, darauf mittig die Knödelmasse in Form einer dicken Wurst auflegen (ca. 10 cm Durchmesser). Dann die Folie herumschlagen und die Enden verdrehen. Diese dann zusammenknoten.
  • In wallend kochendes Salzwasser legen, die Hitze zurückdrehen und 30 min leicht köcheln lassen.
  • Auspacken und in nicht zu dünne Scheiben schneiden (ca. 4 cm)

Linsen:

  • Zwiebel fein hacken.
  • Knoblauch fein hacken.
  • Speck in kleine Würfel schneiden.
  • Suppengemüse schälen und klein hacken.
  • Linsen aus der Dose abtropfen aber nicht abspülen (ein bisschen Saft sollte dabei bleiben).
  • Zwiebel bei sanfter Hitze in Öl kurz anschwitzen, dann das Suppengemüse dazugeben und 1 – 2 min schmoren.
  • Dann Speck, Knoblauch und 2 Lorbeerblätter dazugeben, bei sanfter Hitze weiter schmoren.
  • Sobald sich Etwas an der Pfanne anlegt mit etwas Bouillon aufgießen und wieder verdampfen lassen. So lange wiederholen, bis das Gemüse weich genug ist.
  • Die Linsen dazugeben und mit Bouillon die Konsistenz regulieren.
  • Mit Essig, Salz und Pfeffer abschmecken.
  • optional: Als Topping kann man ein paar dünne, knusprig gebratene Speckscheiben beim Anrichten darüber geben.

Krampuswürstel:

  • Frankfurter (Wiener) Würstel halbieren und von den runden Enden her kreuzförmig der Länge nach zu etwa zwei Drittel einschneiden.
  • In einer Mischung aus Öl und Butter braten, bis sich alle “Tentakel” aufgestellt haben. Ein paar gebräunte Stellen sind durchaus erwünscht.