Die „Kochgenossen“ sind eine Genossenschaft von Gleichgesinnten, die ihre Aufgabe in der Dokumentation von authentischen Kochsprachen aus aller Welt sehen. Seit mehr als 20 Jahren wird gemeinsam gekocht, gegessen und gereist, um verschiedene Kochtechniken und kulinarische Glaubenssysteme zu erforschen und zu vergleichen, um zu lernen, worum es beim wirklich guten Kochen geht.

Authentische Kochsprachen statt globalisierter Beliebigkeit

Authentische Kochkulturen sind gewachsen wie Sprachen und regionale Dialekte. Sie haben „Vokabel“ in Form der Zutaten und eine „Grammatik“ in Form der Kochtechniken. Und wie bei Sprachen sickern immer wieder Fremdworte ein, um die Ausdrucksmöglichkeit zu erweitern. Doch diese authentischen Kochsprachen sind nur noch in Bruchstücken vorhanden, ungebrochene Traditionen sind selten geworden. Stattdessen breitet sich eine globalisierte Vereinheitlichung aus, eine Küche der Kompromisse und Rücksichtnahmen auf vermeintliche Abneigungen und Unvertäglichkeiten.

Durch Tourismus und Migration verbreiten sich zwar immer mehr Regionalküchen über die ganze Welt, werden dabei aber meist verflacht und verstümmelt. Entweder durch vorauseilende Rücksichtnahme oder durch die Unkenntnis der Kochsprachen selbst. Die meisten internationalen Varianten von authentischen Speisen haben wenig mit den Originalen zu tun und missachten grundsätzliche Techniken, die deren eigentliche Qualitäten ausmachen.

Ein wirklich authentisches Gericht außerhalb seines traditionellen Verbreitungsgebietes zu bekommen, ist eine extreme Seltenheit

„Buntes Currygemüse aus dem Wok“ hat nichts mit irgendeiner asiatischen Küche zu tun. Italiener würden niemals ein Ragu alla Bolognese mit Spaghetti essen und auch keine Sahne zu Pasta alla Carbonara. Currypulver ist in Indien nahezu unbekannt und die dicksoßigen Speisen des gewöhnlichen „Chinesen am Eck“ werden nirgendwo in China so gegessen. Die meisten Betreiber von indischen Restaurants im Westen stammen aus Pakistan oder Bangladesch, sehr selten aus Indien selbst. In japanischen Sushi-Läden kochen vornehmlich Koreaner und in italienischen Restaurants oft Kroaten und Türken.

Ein wirklich authentisches Gericht außerhalb seines traditionellen Verbreitungsgebietes zu bekommen, ist eine extreme Seltenheit. Und auch wenn man sich in die Länder selbst begibt, sind die Speisen dort in touristisch ausgerichteten Lokalen sehr oft verfälscht, indem sie sich an dem vermeintlichen Geschmack der Touristen orientieren. Die Globalisierung der regionalen Küchen ist von Missverständnissen und Verflachung geprägt.

Die Kochgenossen versuchen herauszuarbeiten, was die Qualität und das eigentliche Wesen von authentischen Speiseformaten ausmacht.

Gutes Essen hat nichts mit Luxus zu tun, Statussymbole lenken ab vom guten Geschmack

Essen dient nicht nur der Ernährung allein, es ist auch ein Zeichen von Macht und Ausdruck des sozialen Status. Viele Haubenrestaurants bedienen ein Publikum, dem es vor allem darum geht, mit teurem und originellem Essen ihren Status zu unterstreichen. Dort wird viel Geld bezahlt, da darf nichts einfach oder banal sein, alles muss außergewöhnlich und originell sein. Aufwändige Tischkultur, luxuriöses Ambiente und vor allem hohe Preise können aber ganz gewaltig vom eigentlichen Schmecken ablenken. Der persönliche Geschmackssinn wird häufig schwer beeinträchtigt vom Narrativ des Prestigeträchtigen und Erstrebenswerten.

Gutes Essen erkennt man unter anderem daran, dass es auch gut schmeckt, wenn es im Kochtopf serviert wird

Wirklich gutes Kochen dient nur dem guten, wahrhaftigen Geschmack. Es hat nichts mit Luxus zu tun, sondern gewinnt seine Qualität unter anderem durch die Vermeidung von Zutaten, die gerade als besonders luxuriös gelten. Denn was heute als Luxus gilt, war früher Arme-Leute-Essen und umgekehrt. Teuer ist nur, was selten oder schwer zu beschaffen ist. Gutes Essen erkennt man unter anderem daran, dass es auch gut schmeckt, wenn es im Kochtopf serviert wird, ohne Tischtuch, dezentes Licht und Gläserbatterie.

Es ist vor allem die handwerkliche Intelligenz und weniger die Verwendung von luxuriösen Zutaten, die wirklich gutes Essen ausmacht

Die Kochgenossen sind viel mehr an den Hervorbringungen einer cucina povera interessiert, als an der haute cuisine. Denn es ist vor allem die handwerkliche Intelligenz und weniger die Verwendung von luxuriösen Zutaten, die wirklich gutes Essen ausmacht. Wenn man nichts hat außer Mehl und Milch, dann wird man kreativ bei der Zubereitung, um Genuss und Abwechslung zu erleben. Die cucina povera, die Küche des Mangels – und die kreative Herausforderung, die damit verbunden ist – ist die wahre Quelle des guten Kochens.

Kochen als Ausdruck der Selbstbestimmung

 „Wenn wir keines unserer täglichen Bedürfnisse selbst erfüllen können, fließt den Konzernen nicht nur unser Geld zu, sondern auch unsere Macht.“ (Michael Pollan)

Kochen ist durch und durch tatsächlich, es ist das Gegenteil des Virtuellen

Kochen ist das Gegenteil von Konsumieren, es ist pures Kreieren – das Leben selbst gestalten, statt einfach Produkte zu konsumieren – und es ist das Gegenteil des Virtuellen. Es ist durch und durch tatsächlich. Insofern ist es das beste Gegenmittel zu einer Welt, deren Fokus sich auf bedenkliche Weise vom Tatsächlichen ins Virtuelle entfernt, und dabei nicht zu bemerken scheint, was dabei alles an Lebensqualität verloren geht. Als elementarer Ausdruck von Selbstbestimmung ist Selbst-Kochen das wirkungsvollste Statement gegen ein System von Fremdbestimmung und Entmündigung, es ist ein erster Schritt zur Rückeroberung von Gestaltungsautonomie über das eigene Leben.

Wenn du die Welt verändern willst, dann koche!

Kochen gegen Fremdheit

Wenn man die Speisen einer anderen Kultur liebt und versteht, dann kann man sie nicht mehr verachten oder hassen

Kochen ist das beste Mittel, um Fremdheit zu überwinden. Das haben auch die vielen Initiativen erkannt, die bei den Migrationsbewegungen der letzten Jahre aktiv geworden sind, und nun den zugewanderten Menschen die Möglichkeit geben, zu kochen und zu zeigen, was sie dabei können. Kochen ist ein Ausdruck von Identität, und wenn man die Speisen einer anderen Kultur liebt und versteht, dann kann man sie nicht mehr verachten oder hassen. Kochen erzeugt Empathie. Allein dafür zahlt es sich aus, andere Kochsprachen zu erkunden und herauszufinden, was ihre Exzellenz ausmacht! Es geht heute darum, die traditionellen kulinarischen Sprachen wieder zu erlernen. Auch wenn man nicht mehr genauso kocht wie früher, sind sie die Quelle des guten Kochens und eine unverzichtbare Basis, auf der man neue Ideen aufbauen kann. Sie greifen zurück auf einen uralten empirischen Erfahrungsschatz, der aus der täglichen Übung gewachsen ist. Sie zu vergessen, bedeutet einen unwiederbringlichen Verlust an Vielfalt und Möglichkeiten. Sie sind durch und durch ausgetestet und damit bestens in der Lage, eine fundierte Orientierung in der komplexen Welt der Ernährung zu bieten; und zwar viel besser geeignet als das hysterische und widersprüchliche Ernährungs-Narrativ der heutigen Medienwelt.

Keine Angst – Vielfalt statt Intoleranz

Kein Inhaltsstoff ist per se böse oder schädlich

Die Kochgenossen plädieren für ein Kochen, das sich nicht über Verzicht und Abgrenzung definiert, sondern ausdrücklich alles zulässt. Religiöse oder weltanschauliche Speisetabus sind zwar zu respektieren, das kulinarische Glaubenssystem der Kochgenossen definiert sich jedoch über die Vielfalt der Möglichkeiten statt intoleranter Ausgrenzung von „bösen“ Lebensmitteln. Statt das potentielle Nahrungsrepertoire durch Verzicht und Ausgrenzung zu verringern, wollen wir es im Gegenteil erweitern und alle Möglichkeiten zulassen. Kein Inhaltsstoff ist per se böse oder schädlich, es kommt nur auf die Dosierung an. Es gibt nur eines, was es zu vermeiden gilt: einseitige Ernährung.

Vielfalt und angstfreier Genuss sind die Basis einer guten Ernährung, deshalb wird der mediale Diskurs über „gesunde“ und „schädliche“ Ernährung von den Kochgenossen weitgehend ignoriert

Vielfalt und angstfreier Genuss sind die Basis einer guten Ernährung, deshalb wird der mediale Diskurs über „gesunde“ und „schädliche“ Ernährung von den Kochgenossen weitgehend ignoriert. Die medialen Veröffentlichungen von sogenannten „Lebensmittelstudien“ haben sich immer wieder als höchst zweifelhaft und widersprüchlich herausgestellt. Sie erzeugen ein Klima der Angst und der kulinarischen Orientierungslosigkeit. Es sind die eigenen Vorlieben und die eigene kulinarische Kompetenz, auf die man sich verlassen sollte. Wer gesund ist, braucht keine Ernährungsberatung.

 

Genießen statt fürchten!

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