Was die Kochgenossen im U Liccedu essen:
Was auf den Tisch kommt – denn hier wird allabendlich nur ein Menü gekocht. Eine Speisekarte gibt es nicht. Touristen kommen nur selten in das winzige Bergdorf Bustanico. Hier essen die Einheimischen.
- Migliacciu mit Coppa, Lonzu und Wildschweinsalami – Migliacciu sind kleine Pfannkuchen, in die der korsische Frischkäse Brocciu eingearbeitet ist. Dadurch sind sie herrlich saftig und flaumig. Sie kommen heiß mit etwas Butter auf den Tisch und sind die perfekte Begleitung zu den salzigen, korsischen Salumi, die hier im Haus produziert werden. Die Größe der Portion ist atemberaubend, Aufessen ist schlicht unmöglich.
- Schweinsbraten mit Kartoffeln – Schweine sind in Korsika ein Grundnahrungsmittel, denn sie sind freilaufend und in den Kastanienwäldern finden sie genügend Futter. Abends kehren sie meist zu den Höfen zurück, denn da gibt’s noch Küchenabfälle und Kastanienmehl. Die Grenzen zwischen Haus- und Wildschweinen sind oft nicht genau auszumachen. Korsika ist also das Schweineparadies schlechthin und dementsprechend toll ist die Fleischqualität: überaus aromatisch, zart und saftig – sogar der sonst zur Trockenheit neigende Lungenbraten. Wir haben an 2 Abenden hintereinander im U Liccedu gegessen und beide Male Schweinsbraten als Hauptgang bekommen, allerdings von unterschiedlichen Teilen (Schopf und Lungenbraten) mit unterschiedlich zubereiteten Kartoffeln. Gewürzt wird hier sehr zurückhaltend, denn die Eigenaromen sprechen für sich. Was für ein Unterschied zum Fleisch aus der großindustriellen Spaltboden-Zucht!
- Kastanien-Creme Caramel – eine besonders saftige Köstlichkeit. Könnten wir täglich essen! Auch Kastanien sind ein korsisches Grundnahrungsmittel, aus dem auch Brot und Polenta hergestellt werden.
Schwein und Kastanien
Hierher verirren sich gewöhnlich keine Touristen, hier essen die Menschen aus der Umgebung. Erstaunlich ist, dass man allabendlich Gäste hier essen sieht, obwohl das entlegene Bergdorf Bustanico nach aktueller Statistik gerade mal 66 ständige Bewohner zählt.
Eine Speisekarte oder irgendwelche andere Informationen sucht man vergeblich. Auf die Frage, ob es etwas zu essen gebe, folgt ein schlichtes “Ja, setzt euch”. 30 Minuten später, nach dem ersten Bier, fragen wir nocheinmal bei der jungen Serviererin nach: “gibt es was zu Essen” – “ja” – “und was gibt es?” – “keine Ahnung!”
Wir warten also geduldig weiter und werden schließlich mit einem der besten Menüs auf korsischem Boden belohnt. Hier gibt es offensichtlich fast täglich Schwein – gesalzen, getrocknet, verwurstet, geräuchert und als zarte Braten in allerlei Varianten. Aber auch das herrliche korsische Kalbsragout mit Oliven oder Gerichte mit Lamm oder Ziege können am Speiseplan stehen. Man muss sich halt überraschen lassen. Desserts und Kuchen werden hier aus Kastanien zubereitet.
Im Gegensatz zur französisierten Gastronomie an den Küsten bekommt man hier durch und durch authentisch zubereitete korsische Gerichte serviert. “Französisiert” bedeutet heutzutage leider “Irgendwas mit Fritten zu hohen Preisen”. Es ist ein Jammer, wiesehr die Französische Küche abseits der Luxusgastronomie in der Zwischenzeit verkommen ist!
Aber in den dicht bewaldeten Bergen ist das anders: Seit Jahrhunderten sind sie ein Rückzugsgebiet der einheimischen Bevölkerung vor ständig wechselnden Okkupanten, Potentaten und Seeräubern.
Die Korsische Geschichte ist eine Geschichte des ständigen Widerstands.
Und die geniale Kombination Schwein und Kastanie erlaubt in den Bergen eine autonome Nahrungsversorgung, ergänzt durch ein paar Ziegen und Schafe für den Käse und etwas Gemüse im Vorgarten. Sogar Bier wird auf Korsika aus Kastanien gebraut.
Als Gewürz bietet sich die wild wachsende Myrte an und auch Honig gibt es reichlich. Daraus ergibt sich eine sehr einfache, aber köstliche Küche, deren Stärke in der Qualität der Zutaten liegt.
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