Was die Kochgenossen beim Sittl essen:

  • Gebackene Hühnerleber mit Erdapfel-Mayonaise-Salat – wunderbar zart und knusprig. Für die Exzellenz diverser Leberzubereitungen ist das Haus bekannt. Der sündhafte Erdapfelsalat mit Mayo darf dabei nicht fehlen.

  • Geselchte Rindszunge mit Linsen – einst war gekochte Zunge allgegenwärtig in der Wiener Küche, heute ist sie fast ausgestorben. Was passiert eigentlich damit – geht die Zunge ins Katzenfutter? Diese geräucherte Zunge ist von perfekt zarter Konsistenz und schön ausgewogenem Aroma. Nur den Linsen fehlt Säure und Würzigkeit, und weniger Einbrenn wäre von Vorteil.

  • Hirn mit Ei – auch Hirn war bis in die 1960er Jahre in den meisten Gasthäusern präsent. Spätestens seit BSE und dem medialen Innereien-Bashing geht auch diese kulinarische Tradition mehr und mehr verloren. Dabei gehören Innereien zu den hochwertigsten Nahrungsmitteln überhaupt. Doch der mediale Mainstream sieht das anders.

  • Vegetarisches – man glaubt es kaum, aber Wien hat durchaus auch eine Tradition von vegetarischen Speisen: gebackener Zeller, Bröselkarfiol, g’röste Knödel und gebackene Champignons – all das bekommt man hier.

Ein lebendes Museum

Mitten im tosenden Autoverkehr des Wiener Gürtels steht ein uraltes Haus, das schon um 1740 ein Wirtshaus war. Jahrzehnte ist man daran vorbeigefahren, ohne je daran zu denken, da hineingehen zu wollen. Ein Haufen Vorurteile haben das verhindert: tiefe Gürtelgegend, wahrscheinlich Grindbeisl und Tranklerhüttn…

Nun sind wir doch hineingegangen, weil ein Freund dort einen Auftritt als Musiker hatte – und die positive Überraschung hätte größer nicht sein können!

Man taucht ein in eine Parallelwelt, eine Zeitkapsel, die im totalen Kontrast zur lärmenden Außenwelt steht: Biedermeieridylle, lauschige Weinlauben, alte Laternen, Pawlatschengänge mit Blumenstöcken, ein Gigant von einem hundertjährigen Götterbaum, ein hölzernes Salettl und ein entzückender Gastgarten.

Man glaubt nicht mehr in der Stadt zu sein, sondern am Land zu einer anderen Zeit, in einem großen Gasthof, wo gerade die Pferde für die Kutsche gewechselt werden, während man den Veltliner kostet und ein Gabelfrühstück einnimmt.

Die Wirtsräume sind ein lebendes Museum mit einem riesigen Ofen, wie man ihn hierzulande seit dem 2. Weltkrieg nicht mehr sieht. An der Wand hängt ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten – ein echter Zigarettenautomat.

Nichts ist hier renoviert oder modernisiert. Alles original. Das neueste Material ist vermutlich das Resopal der 1950er-Jahre.

Und auch das Essen ist altmodisch – und wie! – Bouillon mit Ei, geselchte Zunge, Hirn, Kohlrabi, Bauernschmaus und Räuberbraten. Selbst alte Knacker wie wir kennen solche Speisen nur aus der Kindheit.

Dabei wird hier sehr anständig und authentisch gekocht. Für die Lebergerichte reisen Menschen von weit her an. Ok, die Linsen waren uns dann doch zu altmodisch, mit viel Einbrenn und wenig Pep – aber alles andere war köstlich!

Hier ist noch die große Tradition der Wiener Innereienküche lebendig – aber auch die traditionelle vegetarische Küche der Stadt, mit Gerichten wie gebackenem Zeller, Bröselkarfiol und g’rösten Knödeln.

In dem großen Holz-Salettl namens “Pelikanstüberl” im Innenhof des prächtigen Hauses finden regelmäßige Veranstaltungen statt, wie das “Erste Wiener Lesetheater” oder Wienerlied- und Jazzkonzerte.

Das Sittl ist eines der letzten Häuser, wo die Tradition der Wiener Vorstadtkultur noch gepflegt wird.

Schon 1835 befanden sich in den 157 Häusern Neulerchenfelds fast 100 Lokale sowie zwei Tanzsäle. Das waren kulturelle Zentren, wo man nicht nur zum Essen und Trinken hinging. Hier zelebrierte man gewissermaßen eine Gegenkultur zur Etikette der aristokratischen und großbürgerlichen Innenstadt. Hier war man herrlich leger und ungezwungen unter sich und feierte das Leben – mit Wein und Bier, deftigem Essen, aber auch mit Theater, Kabarett, Literatur, Musik und Tanz. Und aus zolltechnischen Gründen war hier – außerhalb des “Linienwalls”– alles billiger als in der Stadt.

Viele Berühmtheiten, wie die Fiaker-Milli, die Schrammeln und Johann Strauß hatten in Neulerchenfeld ihre Auftritte.

Das Weinhaus Sittl “Zum Goldenen Pelikan” ist der letzte Vertreter dieser einst großen Neulerchenfelder Tradition.

Dieses lebende Museum sollte man unbedingt besuchen, um in eine nicht nur kulinarische Zeitkapsel einzutauchen!

sittl.at

Lerchenfelder Gürtel 51, 1160 Wien, Tel: +43 1 4050205
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