Die Insel Okinawa gehört zur gleichnamigen Inselgruppe und liegt geografisch zwischen Japan und Taiwan. Erst seit etwa 150 Jahren gehört sie offiziell zu Japan, und hier ist nach wie vor vieles ganz anders als auf den Hauptinseln Japans – so hat sich in Okinawa auch kulinarisch ein eigener Mikrokosmos zwischen japanischen, südost-asiatischen und US-amerikanischen Einflüssen entwickelt.
Jedenfalls wurde dort unsere Vorstellung von authentischen japanischen Gerichten ein bisschen auf den Kopf gestellt.
Auf der Hauptinsel Okinawa befinden sich seit dem zweiten Weltkrieg nach wie vor riesige US-Militärbasen – etwa 30.000 Soldaten leben hier, plus mehrere zehntausend Angehörige.
Auf engstem Raum entstanden rund um die Militärbasen also Parallelwelten: Ganze Straßenzüge mit amerikanischen Fastfood-Läden, Kinos, Bars, Unterhaltungsprogramm – alles recht in die Jahre gekommen. Am Wochenende ist alles voll mit jungen US-Soldaten, unter der Woche ausgestorben wie eine verlassene Filmkulisse.
Nur eine Straßenecke weiter steht man wieder mitten in Asien, wie man es sich vorstellt: Ramen-Bars, kleine Geschäfte, kein Wort Englisch.
Die Ramen-Bars sind übrigens hier oft eher Imbiss-Stände als Restaurants, kleine Straßenläden, die manchmal auch nur nachts öffnen, an denen man schnell köstliche Suppen und Drinks günstig an die bunten Plastiktische serviert bekommt. Langes Verweilen ist hier allerdings nicht immer erwünscht, es herrscht ein reges Kommen und Gehen.
Zum gemütlicheren Abendessen, hier in der Hauptstadt Naha, gibt es natürlich eine ganze Reihe authentischer Restaurants, in denen ganz andere Regeln herrschen: Schuhe werden ausgezogen, gegessen wird traditionell auf niedrigen Tischen auf dem Boden sitzend, und meistens wird alles gemeinsam in die Tischmitte gestellt, und bei Plauderei und Getränken geteilt
Neben klassischen japanischen Gerichten wie Teka Maki (Thunfisch Maki), Edamame oder Karaage (frittiertes Hühnerfleisch von der Keule), gibt es auch einige lokale Spezialitäten:
Umi-Budo, lat. Caulerpa lentillifera, auf Deutsch „Meerestrauben“ genannt – eine Grünalgenart, die auf Okinawa in Tanks angebaut wird, sind eine spezielle haptische Sensation: die kleinen Trauben zerplatzen im Mund wie Kaviar und schmecken angenehm salzig.
Auch auf den Philippinen sind wir dieser erfrischenden Köstlichkeit schon begegnet.
Innereien werden (wie überall in Japan) auch hier sehr gern gegessen: Hier eine Art Congee (weich gekochter Reis) mit Shitake, Jungzwiebeln und Schweinedarm.
Außerdem sind beispielsweise Süßkartoffeln eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel.
Aber auch der US-Einfluss hat natürlich in der kulinarischen Welt Okinawas seine Spuren hinterlassen, was zu spannenden Kreationen geführt hat, die aber durchaus als traditionelle Speisen betrachtet werden!
Unter Yaki Soba werden in Japan meist gebratene Buchweizennudeln verstanden (yaki heißt soviel wie „gebraten“). Hier bekamen wir „Okinawa-Style“ Weizen-Udon-Nudeln serviert, mit Gemüse und Spam – also Frühstücksfleisch aus der Dose – Huch!
Tofu Champuru, vielleicht das typischste Gericht Okinawas, ist eine Art deftiges Stir-Fry aus verschiedenen Zutaten. Auch hier findet sich häufig Spam zwischen gebratenen Tofu- und Gemüsestücken.
Das amerikanische Dosenfleisch hat also ganz eindeutig Einzug in die Küchen Okinawas gefunden, und wird von Einheimischen als ganz normale typische Zutat betrachtet.
Ein anderes sehr beliebtes Gericht nennt sich taco rice, hier wurden die beliebten US-amerikanischen Tacos umgedeutet: Auf eine Portion Reis werden die klassischen Taco-Zutaten geschichtet: Hackfleisch, Käse, Salat, Tomaten und eine würzige Salsa.
Eine der beliebtesten Fastfood-Ketten hat sich, neben den klassischen Tacos, sogar auf diese Fusion-Variante spezialisiert.
Von der ursprünglichen, angeblich sehr gesunden Okinawa-Diät auf Basis von Gemüse, Süßkartoffeln, Sojaprodukten, Fisch und Algen, die für die ungewöhnlich hohe Lebenserwartung auf der Inselgruppe bis Mitte des 20.Jahrhunderts mitverantwortlich gewesen sein soll, sind also nur mehr Teile übrig.
Nicht nur bei den Fastfood-Läden, auch in ganz typischen Restaurants mischen sich die unterschiedlichen kulinarischen Einflüsse – wieder Mal eine Erinnerung daran, dass eine (Ess)Kultur sich in ständigem Wandel befindet, und das ist durchaus gut und spannend so.
Ob allerdings der Einzug von Dosenfleisch in die Kochkultur als Fortschritt gesehen wird, sei dahingestellt.
Klar ist leider auch, dass in den letzten Jahrzehnten mit den westlichen Essgewohnheiten auch die ernährungsbedingten Krankheitsrisiken steigen.
Ob die Menschen aber wirklich jemals so alt wurden, oder ob einfach viele Todesfälle auf den kleinen abgelegenen Inseln nicht gemeldet wurden, damit die Pensionszahlungen der restlichen Familie als Zusatzeinkommen dienten – das wird wohl Spekulation bleiben. Dieselbe Geschichte erzählt man sich übrigens auch von so mancher griechischen Insel.
Ein Beitrag von Sarah Langoth














