Was die Kochgenossen im Din Tai Fung essen:
- Xiaolongbao – “die Königin der Teigtascherl” stammt ursprünglich aus Shanghai. Die Füllung schwebt förmlich in köstlicher Bouillon (wie auch bei den etwas derberen georgischen Khinkali). Xiaolongbao werden auf den Löffel gelegt, wo man sie mit den Stäbchen ansticht und die austretende Suppe schlürft, während man hineinbeißt. Gedipt wird wie bei den meisten Dim Sum in dunklen Chinkiang-Essig, oft mit etwas Sojasauce und feinen Streifen von rohem Ingwer gemischt. Xiaolongbao ist die berühmte Spezialität des Hauses.
- Shao Mai – sind oben offene, gedämpfte Teigtaschen aus besonders dünnem Teig, die ursprünglich aus der Mongolei stammen, wo sie mit Lammfleisch zubereitet werden. Die kantonesische Variante wird mit Shrimps und Schweinefleisch gefüllt.
- Jiaozi (Dumplings) – sind längliche Taschen, die gedämpft, gekocht oder auch gebraten werden können.
- Pot Sticker – sind Jiaozi, die nur auf einer Seite knusprig angbraten werden.
- Wontons – Taschen aus sehr dünnem Teig, meist mit weit überlappenden Teigrändern, die hauptsächlich in Brühe oder Sauce gegessen werden. Zum Beispiel in Chiliöl mit Erdnusspaste.
- Bāozi (Buns) – gedämpfte Miniknödel aus Germteig (Hefeteig), mit faschiertem Schweinefleisch und Gemüse, aber auch mit süßen Füllungen, wie Sesam, Taro und sogar Schokolade.
- Kalte Vorspeisen – besonders gut sind die geschmorten Melanzani, und zwar die in ganz Ostasien gebräuchlichen, dünnen und langen Schlangen-Melanzani. Höchste Zeit dass die auch in Europa entdeckt werden. Ihre lila-blaue Farbe ist auch in gegartem Zustand ein Wahnsinn. Exzellent ist auch das eingelegte Weißkraut: knackig, mürb, schneeweiß und umwerfend frisch.
- Stir-fried Bird’s Nest Fern (shān sũ) – das sind die Sprossen einer Farn-Art (Nestfarn, Asplenium nidus), die unseres Wissens nur in Taiwan gegessen werden. Angeblich stammt das Wissen um diese Zutat von der nicht chinesischen Urbevölkerung Taiwans. Mit etwas Knoblauch und mildem Chili kurz sautiert. Knackig, frisch, tiefgrün und köstlich!
Das Teigtascherl-Imperium
Begonnen hat es Anfang der 1970er-Jahre mit einem Dimsum-Restaurant in Taipei’s Innenstadt. Der Gründer Yang Bingyi, der 1948 vor der Revolution aus Shanxi nach Taiwan geflüchtet war, und seine taiwanesische Frau Lai Penmei engagierten damals einige Köche aus Shanghai, die auf die Zubereitung von Xiaolongbao spezialisiert waren. Das ist jene, aus Shanghai stammende, gedämpfte Teigtasche, die allgemein als Königin der Dim Sum-Kultur gilt. Die Füllung besteht nicht nur aus Schweinefleisch, sondern auch aus heißer Bouillon.
Heute ist das Din Tai Fung eine internationale Restaurantkette mit Filialen in Hongkong, China, Australien, Indonesien, Malaysien, Thailand, Singapur, Philippinen, Südkorea, Dubai, Kalifornien und London. Trotz der gigantischen Größe des Unternehmens wird hier alles per Hand gemacht, ja nicht einmal ein Nudelholz wird verwendet. Die Teigstückchen werden von ganzen Arbeitsbrigaden mit dem Daumen zu hauchdünnen Blättchen geformt, gefüllt und kunstvoll gefaltet.
Die Küchen sind in beiden Lokalen in Taipei verglast und öffentlich einsichtig, damit man die aufwändige Handarbeit bewundern kann. Die weiß vermummten Mannschaften wirken wie Laboranten in einem Hochreinraum.
Die Teigtaschen sind hier besonders elegant und kunstvoll gefertigt, der Teig besonders dünn – was als luxuriös gilt, weil es schwierig zu machen ist und wesentlich mehr Arbeitsaufwand verursacht, als bei solchen mit dickerem Teig. Mit Gewürzen wird extrem zurückhaltend umgegangen, die Aromen sind sehr puristisch und mild.
Aber wir wären nicht die Kochgenossen, wenn wir nicht alles hinterfragen würden! Ist der Teig tatsächlich umso besser, je dünner er ist? Oder ist das nur ein Luxus-Aspekt, der den eigenen Status betont, der zeigen soll, was man sich leisten kann?
Und tatsächlich haben wir nach 4 Wochen durch den fast täglichem Vergleich von Teigtascherln in ganz Taiwan die Erfahrung gemacht, dass ein Teig auch zu dünn sein kann. Wir haben bei kleinen Straßenständen Xiaolongbao gegessen, die nicht so elegant waren und deren Teig etwas dicker war – und die haben uns sogar noch besser geschmeckt als die Berühmtheiten des Din Tai Fung. Der glitschig-schlutzige Teig ist ja das Geile daran, der braucht sich nicht hinter hauchdünner Eleganz zu verstecken!
Und vielleicht übertrifft die persönliche Hingabe von autonomen, kleinen Handwerkern doch die standardisierte Arbeitsweise eines hierarchisch durchorganisierten, multinationalen Großunternehmens?
Auch bei gefüllter Pasta in Italien finden wir, dass die hauchdünnen Exemplare nicht die besten sind. Und bei Kärntner Kasnudeln und georgischen Khinkali ist der vergleichsweise massive Teig ein herrlicher Genuß. Nur weil etwas teurer ist, weil die Herstellung schwieriger und aufwändiger ist, bedeutet das noch lange nicht, dass es auch besser schmeckt.
Gerade beim Essen ist die Fähigkeit, die Pfade dessen zu verlassen, was allgemein als prestigeträchtig und luxuriös gilt, oft eine Offenbarung.
Unübertroffen gut sind im Din Tai Fung allerdings die kleinen kalten Vorspeisen, wie die geschmorten Melanzani oder eingelegte Blätter vom Weißkraut, deren schneeweiße, perfekte Knackigkeit wirklich umwerfend ist! (Warum gibt es bei uns kein Gemüse, das auch nur annähernd an solche Qualitäten herankommt?).
Besonders interessant ist auch der Nest-Farn, dessen junge Sprossen eine taiwanesische Spezialität sind (https://de.wikipedia.org/wiki/Nestfarn).