Auch die klassische Wiener Küche kennt ein eigenständiges Konzept der ursprünglich italienischen Pastakultur. Die Hauptzutat ist ein Gemüse, das nördlich der Alpen so selbstverständlich und verbreitet war, dass es im Österreichischen gar keinen eigenständigen Namen besitzt – es heißt dort einfach „Kraut“, was ja ungefähr so spezifisch ist wie „Pflanze“ oder „Gewächs“.
Die Deutschen sind präziser und sagen Weißkohl dazu. Auch in den Küchen Osteuropas sind die ertragreichen und gut lagerfähigen „Köpfe“ oder „Häuptel“, wie man in Wien sagt, eine Grundsäule der Ernährung. Südlich der Alpen gilt dieses Gemüse als eher derb und kommt dort viel weniger zum Einsatz (abgesehen von Triest). Es ist sicher kein nobles Gemüse und wird immer wieder als Essen für arme oder unkultivierte Leute angesehen. Die abwertenden Konnotationen finden ihren Ausdruck in wenig liebevollen Bezeichnungen wie „Krautschädel“ in Österreich, oder „Krauts“ als US-amerikanischer Schimpfname für die deutschen Nazis im Zweiten Weltkrieg – ein Gemüse als Symbol für Barbarei!
Doch zu Unrecht! Dieses Rezept zeigt, wie man eine vermeintlich unscheinbare und derbe Zutat in eine Köstlichkeit verwandeln kann, indem man ihr komplettes aromatisches Potenzial zur Geltung bringt. Das Kraut wird mit Zwiebeln und etwas Zucker behutsam geschmort, bis es goldbraun glänzt. Die ganze Kunst liegt in dieser Bräunungs-Reaktion. Das Wiener Original wird mit Schweineschmalz zubereitet, was wir hiermit dringend empfehlen. Besonders gut macht sich in diesem Zusammenhang auch Gänseschmalz. Wer das nicht mag, kann Butterschmalz verwenden oder, wenn es unbedingt sein muss, ein geschmacksneutrales Pflanzenöl.
Zutaten für 4 Personen:
- 500 g Fleckerln (Eierteigware)
- 60 g Schweineschmalz (auch Butterschmalz oder Gänseschmalz)
- 800 g Weißkraut
- 100 g Zwiebeln
- 2 EL Kristallzucker
- ½ TL Paprikapulver (süß)
- ½ TL Kümmel
- 1 Spritzer Essig
- Schnittlauch
- 150 ml klare Suppe
- Salz und Pfeffer
Zubereitung:
- Krautstrunk und äußere Blätter entfernen, Kraut kleinwürfelig schneiden (ca. 8 x 8 mm).
- ½ TL Kümmel in 150 ml Suppe heiß machen und bereithalten.
- In einer Pfanne 2 EL Kristallzucker in Schmalz hellgelb karamellisieren. Sobald Farbe „anzieht“, sofort 100 g kleingehackte Zwiebeln dazugeben und sanft anschwitzen. Das Kraut zugeben und unter häufigem Rühren anrösten, bis es überall Farbe annimmt.
- ½ TL Paprikapulver und einen kleinen Spritzer Essig dazugeben. Nur wenn es zu viel bräunt, mit einem Spritzer Suppe löschen, nur so viel, dass es nicht anbrennt – es soll nicht in Flüssigkeit kochen! Den aufgekochten Kümmel dazugeben und unter Rühren weiter schmoren, bis das Kraut weich und goldbraun ist. Mit Salz, Pfeffer und falls nötig Essig abschmecken.
- Die al dente gekochten Fleckerl untermischen. Die Saftigkeit mit dem Kochwasser der Nudeln regulieren.
- Auf Tellern verteilen und mit Pfeffer und frischem Schnittlauch bestreuen.