Ein Kohleintopf galt in Europa seit der Antike als das Sinnbild für Armeleuteessen. Der kugelförmige Wirsingkohl ist seit dem 16. Jahrhundert bekannt und wächst fast zu allen Jahreszeiten. Für den Winter kann man ihn gut einlagern.
Vor allem in Notzeiten war er ein billiges und alltägliches Hauptnahrungsmittel und dadurch auch eine Quelle von kulinarischen Traumata. Nicht nur von Kindern wurde er häufig als Alptraum empfunden.
Wir meinen, dass es höchste Zeit ist, dieses Vorurteil auszuräumen!
Für unsere deutschen Kochgenossen sei erklärt, dass der Wirsingkohl in Österreich einfach “Kohl” genannt wird, und zwar nur der. Andere Kohlsorten heißen einfach “Kraut” (“Weißkraut”, “Rotkraut” oder auch “Blaukraut”). Der deutsche Grünkohl ist in Österreich so gut wie unbekannt.
Im Wien der Nachkriegszeiten und Wirtschaftskrisen des 20. Jahrhunderts waren Stiegenhäuser und Bassenawohnungen durchzogen von Geruch des “Köch”, wie man dieses, meist mit einer Mehl-Einbrenn sehr weichgekochte Eintopfgericht in der Donaumetropole nannte. Wenn man dafür eine Wurst zur Verfügung hatte, dann war das schon Luxus. Diesen fast breiartigen Köch – ohne Wurst – findet man in Wien auch heute noch als Gemüsebeilage, etwa zu gekochtem Rindfleisch oder gebratenen Augsburgern.
Unser Familienrezept stammt aber aus Zeiten, als auch in Wien das Wirtschaftswunder zu greifen begann und die Notzeiten endlich vorbei waren, also aus den späten 1950er- und fühen 1960er-Jahren. Die sättigende Einbrenn war da schon verschwunden; die Flüssigkeit wurde von der Mama stattdessen mit einer geriebenen Kartoffel etwas gebunden; und von der Wurst gab es reichlich. Auch wurde der Kohl nicht mehr zu einer breiigen Masse zerkocht, sondern hatte noch durchaus Biss. Dazu gab es Schwarzbrot.
Im Gegensatz zu anderen Kindern haben wir dieses einfache Gericht auch damals schon geliebt; und wie bei so vielen Eintopfgerichten, war es aufgewärmt am nächsten Tag noch besser.
Zutaten für ca. 4 Portionen:
- 1 mittelgroßer Kohlkopf (Wirsing)
- ca. 400 g Kartoffeln (festkochend)
- 3 Zehen Knoblauch
- 200 g Zwiebel
- ca. 400 g Wurst (geräuchert, wie Waldviertler – oder papriziert, wie Debreziner. Im Grunde passt fast jede Wurst, auch Speck, Rippchen, Geselchtes oder Schinken)
- frische Petersilie
- 1 – 2 TL Kümmel, gemahlen
- Öl oder Butterschmalz
- ca. 1 Liter kräftige Bouillon (Rind oder Gemüse, früher hat man natürlich Suppenwürfel verwendet)
- schwarzer Pfeffer
- Salz
Zubereitung:
- Zwiebel kleinwürfelig schneiden und in Öl oder Butterschmalz sanft anbraten
- wenn der Zwiebel weich ist, gehackten Knoblauch kurz mitbraten
- Kohl (Wirsing) halbieren und Strunk entfernen, grob schneiden und mit Zwiebel/Knoblauch durchmischen und kurz anbraten
- mit Bouillon aufgießen (etwa auf halbe Höhe) und 20 min zugedeckt auf kleiner Flamme köcheln
- mit Salz abschmecken und eine kleine, rohe Kartoffel fein hinein reiben (bindet die Flüssigkeit). Gemahlenen Kümmel und die gewürfelten Kartoffeln dazugeben, Durchmischen und eventuell Flüssigkeit ergänzen
- ca. 15 min zugedeckt auf kleiner Flamme köcheln, bis die Kartoffeln gar sind
- Wurst in Scheibchen schneiden und untermischen; nocheinmal 3 min köcheln
- Hitze abdrehen, mit Salz & Pfeffer abschmecken und grob gehackte Petersilie untermischen
- mit frischem Brot servieren