Der Begriff “Wok Hei” stammt aus der chinesischen Region Kanton und bedeutet übersetzt “der Atem des Woks”. Er beschreibt unvergleichliche aromatische und haptische Qualitäten von Gerichten, die im Wok buchstäblich durch ein flammendes Inferno gegangen sind, das weit über das herkömmliche Braten oder Sautieren hinausgeht.
Bei dieser Kochtechnik werden Gasbrenner mit 20 bis 60 Kilowatt Brennleistung eingesetzt, die den Wok zum Glühen bringen – nicht sprichwörtlich sondern tatsächlich! Dabei werden im Inneren des Woks Temperaturen von über 800ºC erreicht und die Flammen des Brenners züngeln immer wieder hinein, sodass für Sekunden auch die Zutaten in Flammen stehen.
Das Ergebnis ist eine unvergleichliche aromatische Qualität der Speisen, denn die extreme Hitze lässt austretende Säfte blitzartig verdampfen, verhindert dadurch ein Köcheln im eigenen Saft und erzeugt komplexe Maillard-Reaktionen und Karamellisation an den Oberflächen der Zutaten, die sehr schnell bräunen. Zusätzlich verleiht das extrem heiße Öl ein komplexes, rauchiges Aroma. Das ist quasi eine Technik der Geschmacksverstärkung.
Auch die haptischen Eigenschaften der Gerichte erreichen dabei eine ganz besondere Knackigkeit, die mit anderen Kochtechniken nicht erreichbar ist.
ein regelrechter Tanz mit dem Feuer
Die Kunst dabei ist es, ein Anbrennen der Zutaten zu vermeiden. Deshalb müssen sie ununterbrochen in Bewegung bleiben – einerseits durch konstantes Rühren mit der Wokschaufel und andererseits durch wiederholtes “Hochschupfen” oder “Sautieren”, wie es in der Fachsprache heißt (vom französischen Wort sauter für springen). Das verlangt höchstes Geschick und Aufmerksamkeit, denn ein Innehalten ist nur im Sekundenbereich möglich, ohne dass das Gericht verbrennt.
Diese Kochtechnik wird in China Bao genannt; Sie verlangt viel Erfahrung, Übung und Konzentration. Es ist ein regelrechter Tanz mit dem Feuer!
Sie ist vor allem in Restaurants und Straßenküchen zu finden, wo sie von wahren MeisterInnen zelebriert wird. Zuhause ist das meist nicht möglich, dort wird vor allem nach der sogenannten Chao-Methode gekocht. Dabei wird im Wok mit moderaten Temperaturen eher geschmort und mittels eines Deckels gedämpft.
Don’t try this at home!
Um es vorwegzunehmen: Don’t try this at home! Abgesehen davon, dass in unseren Breiten keine Gasbrenner mit entsprechender Leistung zu bekommen sind, ist die Bao-Technik ziemlich gefährlich, denn die Flammen lodern oft meterhoch und ein Dunstabzug – und damit das ganze Haus – sind schnell abgefackelt! (Wir sprechen aus Erfahrung – nicht vom Haus, aber vom Abzug. Und es war auch für’s Haus arschknapp!).
Wenn überhaupt, so ist diese Technik nur im Freien möglich, und auch da braucht man tolerante Nachbarn, denn die Rauchentwicklung ist erheblich. In Asien sind die leistungsstarken Brenner in jedem Haushaltsgeschäft zu bekommen und es ist durchaus möglich, sie im Internet zu bestellen. Sie sollten mindesten 20 kW Leistung erbringen. (Zum Vergleich: die Heizleistung eines europäischen Brenners liegt zwischen 2 und 4 kW. Selbst spezielle Wokbrenner aus europäischer Produktion erreichen maximal 6 kW – noch immer zu wenig, um echtes Wok-Hei zu erreichen, denn dafür muss der Wok dunkelrot glühen, bevor das Öl hineinkommt.
Aber es muss nicht immer ein Gasbrenner sein, denn in Asien wird auch noch viel auf Holzkohle gekocht. Auch damit können die entsprechenden Temperaturen erreicht werden.
Durch technische Beschränkungen ist es in unseren Küchen nahezu unmöglich, echtes Wok-Hei zu erreichen. Doch mithilfe von Tricks kann man ihm nahekommen.
Die Voraussetzung dafür ist die Verwendung des richtigen Werkzeugs.
1.) Der Wok
Der einzig wahre Wok für die Bao-Technik ist aus dünnwandigem Karbonstahl, besitzt einen hölzernen Griff und ist sehr leicht. Man bekommt ihn in allen Größen für erstaunlich wenig Geld bei den meisten Asialäden. Alles andere ist Unfug! Es geht darum, dass die Hitze möglichst schnell weitergeleitet wird, weshalb dickwandige Woks aus Gusseisen kontraproduktiv sind.
Ein Wok sollte groß sein, auch wenn man wenig darin verarbeitet; und bitte keinerlei Antihaftbeschichtung!
Nur in Asialäden bekommt man perfekte Woks – nochdazu viel billiger als im normalen Handel für Küchenbedarf, wo eine Vielzahl von ausgemachtem Blödsinn für viel Geld angeboten wird. Diese Produkte kann man allenfalls zum Schmoren und Dünsten verwenden.
Wenn man einen Karbonstahl-Wok gekauft hat, muss er zuerst mit Öl eingebrannt werden, damit er eine Patina bildet. Nathan Myhrvold schreibt in seiner Kochtechnik-Bibel “Modernist Cuisine”: “Die Patina im Wok besteht aus rosthemmendem schwarzem Eisenoxid und einer Schicht zersetztem Fett, die am Metall klebt und ein Festhaften des Garguts verhindert. Teflon und andere moderne Antihaftbeschichtungen können die herkömmliche Patina nicht ersetzen und sollten niemals bei einem echten Wok Anwendung finden, Bei Temperaturen über 260ºC zerfällt Teflon und 340ºC zersetzen sich Teflonmoleküle zu giftigen Dämpfen.”
Der Wok darf übrigens niemals mit Spülmittel gewaschen werden, sondern wird nur mit klarem Wasser gespült, damit die Fett-Patina erhalten und weiter aufgebaut wird. Sehr rasch wird er außen und innen kohlschwarz sein.
Für Elektro- und Induktionsherde gibt es Wokpfannen mit flachem Boden. Die sollten ebenfalls aus simplem Karbonstahl sein und sind auch bei ausgewählten Asialäden zu finden. In Wien zum Beispiel beim Z&D Küchen Markt (Franzensgasse 27 – Ecke Rechte Wienzeile im 5. Bezirk)
2.) Die Wokschaufel
Auch eine möglichst langstielige Wokschaufel ist in jedem Asialaden erhältlich. Der lange Stiel verhindert ein Verbrennen der Finger.
Profis rühren jedoch bevorzugt mit einem langstieligen Schöpflöffel, mit dem sie auch flüssige Zutaten sehr genau dosieren können.
3.) Die Gasfackel
Da so ziemlich jeder heimische Gasbrenner und Elektroherd zu schwach sein wird, um echtes Wok-Hei zu erreichen, kann man mithilfe einer Gasfackel einen ähnlichen Effekt erzielen, der ihm zumindest nahekommt. Damit werden die Zutaten im Wok kurzzeitig regelrecht “abgefackelt”.
Wir verwenden ein japanisches Produkt namens “Iwatani CB-TC-PRO2 Culinary Torch”. Man kann auch billigere Produkte aus dem Baumarkt verwenden, doch sind diese mühsamer zu bedienen und “spucken” manchmal, wenn sie nach unten geneigt werden. Doch genau darum geht es beim Kochen.
4.) Ein leistungsstarker Dunstabzug
Eines vorweg: Wenn man über keinen leistungsstarken Dunstabzug verfügt, der die Abluft direkt ins Freie leitet, sollte man die Finger von dieser Kochtechnik lassen, wenn man nicht möchte, dass die Luft verpestet wird. Eine gute Alternative ist das Kochen im Freien.
5.) Die Schneidetechnik
Ganz entscheidend für gute Wok-Gerichte ist die jeweils richtige Größe der Stücke: Sie müssen klein genug sein um durchzugaren bevor die Außenseite verbrennt. Zutaten mit längeren Garzeiten müssen dünner geschnitten sein, als solche, die nur kurz brauchen. Deshalb ist eine intelligente Schneidetechnik, die unterschiedliche Garzeiten berücksichtigt, unumgänglich.
Nebenbei sei bemerkt, dass frisches Gemüse traditionell viel knackiger gehalten wird, als es bei europäischen Kochtraditionen üblich ist. Zutaten wie Jungzwiebel, aber auch Brokkoli, Erbsenschoten und Zucchini kommen praktisch roh zu Tisch. Sie werden nur für Sekunden dem Feuerinferno ausgesetzt.
6.) zuerst den Wok maximal erhitzen, dann erst das Öl dazugeben
Bei der Bao-Technik wird der Wok erhitzt bis er in der Mitte dunkelrot glüht. Das wird in unseren Küchen nicht möglich sein, also beschränken wir uns auf das Temperaturmaximum, das eben möglich ist. Bitte nicht beirren lassen, wenn der Wok raucht – das gehört so, denn seine Patina besteht aus zersetzem Fett. Wir erhitzen so lange, bis der Wok aufhört zu rauchen – erst dann kommt das Öl dazu, das natürlich auch sofort zu rauchen beginnt. Nun muss alles schnell gehen!
Faustregel: Nicht bei der Ölmenge sparen – man kann es später ableeren!
Dafür ist ein Lochblech in Wokform ideal: der Wokinhalt wird einfach darauf gekippt und das abrinnende Öl wird zur Wiederverwendung in einem darunterliegenden Topf gesammelt.
7.) Niemals mehr als 2 Portionen auf einmal!
Der häufigste Fehler beim häuslichen Kochen mit dem Wok besteht darin, dass zu viel auf einmal hineingegeben wird. Dadurch sinkt die Temperatur schlagartig und der Saft der Zutaten rinnt aus, wodurch eher gekocht und gedämpft wird. Das Ergebnis gerät dann schlapp und labbrig – von Wok-Hei keine Spur!
Dabei gilt: Je geringer die Leistung des Brenners ist, umso kleiner sollte die Menge der Zutaten sein, die auf einmal zubereitet werden. Bei einem üblichen Haushaltsherd sollte das nicht mehr als eine Portion sein. Wenn man über einen Wokbrenner mit zumindest 6 kW verfügt, kann es maximal eine Doppelportion sein.
Faustregel: Je weniger Gargut im Wok ist, desto eher wird Wok-Hei gelingen.
8.) Marinieren
Vieles, vor allem Fleischstücke, werden vor dem Braten mit etwas Speisestärke mariniert. Das macht einerseits das Fleisch mürber und andererseits sorgt es für eine rasch bräunende Glasur.
Üblicherweise mischt man das kleingeschnittene Fleisch mit Salz, einem Schuss Reiswein, etwas Sojasauce und 1-2 TL Speisestärke (Kartoffel- oder Maisstärke). Je länger die Marinade einwirkt, desto weicher wird das Fleisch dabei. Übertreibt man die Marinierdauer, wird das Fleisch jedoch “schwammig” wie beim schlechten chinesischen Billigrestaurant.
9.) Reihenfolge und Timing
Als erstes gibt man meist kleingeschnittene Würz-Zutaten wie Knoblauch, Ingwer und Chili in die Mitte, wo sich das heiße Öl sammelt. Sofort danach folgen Fleisch, Gemüse oder andere Zutaten. Ab jetzt wird das Gargut mit der Wokschaufel ununterbrochen in Bewegung gehalten. Ruckartiges Vor- und Zurückschieben des Woks lässt die Zutaten springen.
Erst am Schluss kommen Saucen oder Jungzwiebel dazu, aber auch Gemüsesorten, die kaum Garzeit brauchen und sehr knackig bleiben sollen.
Bei Fleisch, Fisch oder Shrimps wird manchmal in Etappen gewokt: es wird als erstes in reichlich Öl gegart und wird wieder herausgenommen, wenn die anderen Zutaten zubereitet werden. Erst am Schluss wird alles wieder vereint.
Auch Zutaten mit besonders langer Garzeit sollten separat gebraten werden.
10.) Mit dem Butan-Brenner abfackeln
Erst wenn alles fertig ist kann man die Gasfackel einsetzen. Das Gargut wird im Wok intensiv bewegt und geschupft, während man die Flamme des Brenners mit voller Leistung direkt darauf richtet.
Die wirklichen MeisterInnen der Bao-Technik verfügen meist über jahrelange Erfahrung und haben soetwas wie eine “persönliche Handschrift” entwickelt, man kann deutliche Unterschiede schmecken, wenn jemand anderer kocht.
Es geht um eine präzise Reihenfolge bei genauer Kenntnis der Zutaten, viel intuitives Gespür und mitunter um Sekundenbruchteile.
Es ist ein bisschen wie ein Saxophonsolo blasen: auch wenn die Tonfolge stimmt, muss noch lange nicht der Sound und der Impakt eines John Coltrane dabei herauskommen.
Euer Umami-Artikel ist sehr gut und der Text zu den touchscreens spricht mir aus dem Herzen (bin wütendes Siemensopfer…..die bauen auch Backofenbleche, die sich bei Hitz krummziehn und dann nicht aus dem Ofen gehen , und das wissen die auch, steht in der Anleitung schon drin … wie isses nur möglich)!
Gruß!
Ich koche mit einem Yamada Wok ø 30 cm, 1,2 mm auf einem Siemens Gaskochfeld u.a. mit einem 6,1 kW Wokbrenner. 1 – 2 Portinoen kommen an asiatisches Wok Hei schon halbwegs ran – aber eben nicht ganz. Danke für den Tipp mit der Gasfackel; ich habe jetzt endlich einen funktionalen Verwendungszweck für meine Starship Grillfackel, die als Grillanzünder vollkommen überdimensioniert ist.
Danke für den Artikel. In einem Punkt möchte ich ihn ergänzen.
Es gibt auf dem deutschen Markt einen Brenner mit 24 KW Leistung der mit deutscher Gastechnik asugestattet und geprüft ist. Natürlich nur für den Außenbereich. Der Roaring Dragon. Nur als Tipp falls jemand so einen Brenner sucht und auf Nummer sicher gehen will. BIn selber stolzer neuer Besitzer.