Gerade sind wir wieder von einer kulinarischen Reise aus dem Ausland zurückgekommen. Und wie so oft war dann der erste Gang in den heimischen Supermarkt eine Enttäuschung.
Der Salat mit dem dünn gehobelten Fenchel gelingt nicht, weil die Dinger einfach prinzipiell letschert sind. Die Artischocken sind ausgewachsen und trocken, sie verderben das Ragout. Avocados sind oft steinhart und verfault zugleich. Zitronen beginnen zwei Tage nach den Kauf zu schimmeln und Salat beschränkt sich meist auf schlappe Sorten, die anderswo kaum gegessen werden.
Natürlich ist das ein bisschen überspitzt formuliert, aber in Österreich passiert uns soetwas viel häufiger als sonst wo! Am besten und frischesten ist Gemüse dort, wo es noch gar keine technische Kühlung gibt und die Landwirtschaft noch handwerklich betrieben wird, zum Beispiel entlang des Mekong in Laos oder auf indischen Märkten – ganz im Ernst!
Die Erfahrung von knackiger Frische hat hierzulande Seltenheitswert
Wenn man aus dem Ausland zurückkommt, hat man den Eindruck, dass unser Gemüse vergleichsweise alt und abgelagert ist. Die Erfahrung von knackiger Frische hat hierzulande Seltenheitswert und auch die Auswahl ist geringer als anderswo. Eine kompetente Beratung gibt es generell nicht.
Dabei sind die Preise exorbitant hoch, oft um ein vielfaches höher als in den Nachbarländern. Manche Produkte sind zwar qualitativ durchaus in Ordnung – zum Beispiel Tomaten oder Gurken der Wiener Gärtnergenossenschaft LGV, doch sind sie meist teurer als Fleisch.
Wir haben uns in einem großen Wiener Supermarkt umgesehen: Faschiertes oder Bauchfleisch vom Schwein bekommt man hier zum Kilopreis von € 3,98 – während heimische Tomaten und Paprika auch zur Hauptsaison oft über 10 Euro pro Kilo kosten. Den Rekord halten frische Kräuter wie Basilikum, Koriander oder Minze: sie kosten fast einheitlich 100 € pro Kilo (1,99 für 20 g). Auf Wiener Märkten kann man 150g dieser Kräuter schon um 1,50 erstehen, das ist ein Preisunterschied von eins zu zehn!
Gut, jetzt kann man natürlich argumentieren, dass Österreich kein mediterranes oder subtropisches Klima habe und deshalb bei Obst- und Gemüsebau gegenüber anderen Ländern benachteiligt sei – doch das stimmt nicht! Unser südliches Nachbarland Italien zeigt uns, wie viele Gemüsesorten auch bei Frost gedeihen. Das sind Wintersorten, die früher auch hierzulande üblich waren und die heute kein Mensch mehr kennt: Karden (Cardi), Schwarzkohl (Cavolo nero), Grünkohl, Stängelkohl (Cime di rapa), Zichorie (Radicchio), Pastinake, Schwarzwurzel, etc.
Jede Menge Plastik
Fast alles ist in viel Plastik abgepackt, oft in kleinsten Portionen und unsinnigen Kombinationen, die mehr der Unterhaltung dienen, als dem ernsthaften Kochen: lustig bunte Mischungen aus verschiedenen Sorten oder einzelne Pfefferoni, die zum Stückpreis von 59 Cent angeboten werden – wenn das die türkische Mama hört, bekommt sie einen Lachkrampf!
Für wie blöd halten die einen!?
Unlängst haben wir ein Hühnerragout mit Fenchel für 8 Personen gekocht. Die benötigten Zutaten waren in insgesamt 8 (!) Plastikboxen eingeschweißt. Die abgepackten Portionen haben auch den Nachteil, dass man nie die benötigte Menge bekommt, man muss fast immer zu viel kaufen. Übrigens wirbt die Supermarktkette, bei der wir das eingekauft haben, mit ihrem “verantwortungsvollen” Umweltbewusstsein, weil sie Plastiksackerl bei der Kasse abgeschafft haben. Für wie blöd halten die einen!?
Ist das Oligopol der Supermarktketten schuld?
Österreich hat die meisten Supermärkte von ganz Europa: 1,66 Quadratmeter Supermarktfläche pro Einwohner – das ist Europarekord.
Gleichzeitig ist die Marktkonzentration extrem hoch, denn nur 3 Unternehmen (Rewe, Spar und Hofer) kontrollieren 84% des heimischen Lebensmittelmarktes und es gibt einige Regionen, in denen dieser Wert bei nahezu 100% liegt.
Laut einer Wifo Studie fördere ein derartig enger Oligopolmarkt den Missbrauch von marktbeherrschenden Stellungen. Der Druck auf die vielen Produzenten sei extrem hoch, weil sie keine Alternativen der Vermarktung hätten. Sie müssten die Bedingungen der Konzerne akzeptieren, oder zugrunde gehen. Österreich habe hier präventiv “vollständig versagt”. Es seien wettbewerbspolitische Versäumnisse der Vergangenheit, die eine derartig hohe Marktkonzentration überhaupt erst ermöglichten.
Ein Effekt dieser Entwicklung ist das fast vollständige Verschwinden von kleinen, unabhängigen Lebensmittelhändlern. Obst- und Gemüseläden gibt es hierzulande so gut wie überhaupt nicht mehr, wenn man von ein paar türkischen Unternehmen in Wien absieht, die übrigens kaum von Österreichern frequentiert werden. Ohne die Türken hätten wir vermutlich auch auf Märkten keine Obst- und Gemüsestände mehr. In den meisten Regionen ist man auf das Angebot der Supermärkte angewiesen.
In unserem Nachbarland Italien ist das zum Beispiel ganz anders: Gemüseläden, Märkte und fahrende Händler findet man überall – vielleicht ein Grund dafür, dass dort die Qualität der Produkte wesentlich besser ist, während die Preise oft nur einen Bruchteil der hiesigen betragen.
Ein aktueller Preisvergleich gefällig? – Pfefferoni und Spitzpaprika kosten in österreichischen Supermärkten zwischen 8 und 15 Euro pro Kilo, und das zur Saison! Ab und zu gibt es etwas billigere Sonderangebote, aber mit denen kann man nicht rechnen. In Italien bekommt man diese Gemüse um einen Kilopreis von 1 bis 2 Euro. Ebenso Fleischtomaten oder Melanzani, für die man hierzulande über 5 Euro berappen muss. Die Reihe von Beispielen könnte man endlos weiter führen, aber generell kann man sagen, dass die Preise hier mindestens doppelt so hoch sind und in manchen Fällen noch viel mehr.
Die einzigen vergleichsweise billigen Produkte bei uns sind Bier und Schweinefleisch im Sonderangebot – ein guter Marketingtrick, denn damit bekommt man die Männer zum Großeinkauf am Wochenende!
Gleichzeitig trägt die Expansion der Supermärkte zur Versiegelung der Böden bei, denn neu errichtet wird mit Vorliebe auf der grünen Wiese, während die Geschäfte in den Ortszentren fast schon völlig verschwunden sind. Auch dabei ist Österreich Spitzenreiter. Schon jetzt gibt es viel zu wenig bebaubares Land, um die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen. 3000 m2 Agrarfläche sind nötig um einen Europäer zu ernähren – in Österreich stehen schon jetzt nur mehr 1600 m2 pro Kopf zur Verfügung.
Kleine Händler und die Ortskerne sterben aus, immer mehr Land wird versiegelt, die Preise sind überhöht, die Qualität lässt zu Wünschen übrig und die Menge an Verpackungsplastik steigt ins Unermessliche!
Ist also das Oligopol der großen Supermarktketten schuld an der Misere?
Wir sagen nein!
Ist die Ignoranz der Konsumenten schuld?
Handelsketten sind keine Gutmenschen sondern gewinnorientierte Kapitalgesellschaften, die das anbieten, was zum höchst möglichen Preis gekauft wird – es könnte gar nicht anders sein.
Natürlich nutzen sie ihre Marktmacht um ihre Vorteile gegenüber kleineren Lieferanten bis zur Grenze der Erträglichkeit auszubauen und die eigene Effizienz zu steigern, so funktioniert Kapitalismus.
Mit Werbung wird ein möglichst verantwortungsvolles und umweltbewusstes Image konstruiert. Wichtig ist nicht, ob dieses Image der Wahrheit entspricht, sondern dass es wirkt und geglaubt wird. Gefinkelte, psychologisch fundierte Marketingtricks sollen die Menschen dazu verführen, möglichst lange Wege im Supermarkt zurückzulegen, damit sie Spontankäufe machen – also Dinge kaufen, die sie gar nicht kaufen wollten.
Aber all das ist nicht böse. Es ist im Grunde sinnlos das Problem in moralischen Kategorien anzudenken, denn das würde überhaupt nichts ändern.
Die Manager dieser Unternehmen könnten gar nicht anders handeln, ohne im Konkurrenzkampf unterzugehen – that’s the game! Wir kennen einige dieser Manager persönlich und können bestätigen, dass das für gewöhnlich Menschen mit guten Absichten sind und keineswegs verantwortungslose Egomanen. Das Problem ist, dass sie – auch wenn sie wollten – keine Produkte anbieten können, die die Menschen nicht kaufen – und zwar kontinuierlich und in ausreichenden Mengen. Aufgrund ihrer Größe sind die Handelsketten nicht flexibel genug, um auf persönliche Kundenwünsche einzugehen. – Der kleine Gemüsehändler allerdings könnte das!
Die einzigen, die etwas ändern können, sind die Konsumenten. Doch wenn sie schlechte Produkte zu hohen Preisen kaufen und sich nicht darüber beschweren, kann man den Unternehmen nichts vorwerfen.
Ist also die Ignoranz der Konsumenten schuld an der Misere?
Wir sagen ja! Denn sie sind die einzigen – jeder einzelne für sich – die die Situation ändern könnten, indem sie ihr Kaufverhalten ändern.
Es sind Ignoranz und Bequemlichkeit, die unsere foodways rasant verändern. Die meisten kennen sich überhaupt nicht mehr aus bei den Produkten, haben keine Ahnung, was Qualität ausmacht und erledigen ihre Einkäufe bequem im Supermarkt. Es sind kleine Minderheiten, die die letzten verbliebenen Gemüsehandlungen und Märkte frequentieren. Das ist der entscheidende Unterschied zu den Ländern in Südeuropa und Asien, wo die Versorgung viel besser ist.
Wann wird es endlich ein Schulfach namens “Kochen und Lebensmittelkunde” geben?
Danke für den interessanten Beitrag, was unsere Supermärkte und unser Einkaufsverhalten anbelangt! Ich werde ihn nicht nur weiterschicken, sondern gern wieder öfter zum Hannoveranermarkt in 1200 Wien fahren, wo es preislich noch ok ist und man sich außerdem beinahe wie auf einem Markt imSüden fühlt…! Herrlich! Manchmal liegt halt der Hund in der Bequemlichkeit…!
Liebe Grüße von der Bi
Diesem Bericht kann ich mich nur anschließen! Auch wir tun uns schwer hierzulande zB Ananas, Mango, Banane, Avocado, etc zu kaufen, da diese Obst-/Gemüsesorten hier einfach nicht schmecken oder nur ein Viertel so gut wie im Produktionsland.
Auch die Beobachtung, dass, kaum hat man Obst/Gemüse zuhause, es relativ schnell verdorben ist kann ich bestätigen.
Ich finde die Bio-Gurken aus Ägypten, eingeschweißt in Plastik, immer lustig bzw viel mehr deren Käufer.
Kochen und Lebensmittelkunde ist unter der Bezeichnung “Ernährung und Haushalt” ein Schulfach in den NMS.
Guter Artikel, in einem muss ich allerdings widersprechen: In Italien ist das Gemüse nicht billiger, ausser man geht in die Einkaufszentren auf der zubetonierten grünen Wiese, die leider durch Rewe, Aldi, Lidl & Co auch immer mehr werden. Geht man zur Gemüsehändlerin nebenan oder zum coop, kostet das Gemüse meist mehr als beim Billa in Wien.
Und – die hübsch benamsten und -verpackten Zucht-Tomaten (nein, das sind keine Paradeiser mehr) oder die wassrigen Gurken der LGV als gut zu bezeichnen ist gewagt.
Vielleicht ist das bei euch in der Toskana so, aber wir recherchieren seit Jahren in Norditalien, z.B. letzten Sommer in Bologna, wo es von kleinen Gemüsegeschäften nur so wimmelt, da war praktisch nichts teurer als 2€ pro Kilo, alles regional und wunderbar. Ähnlich in Turin am Markt und bei fahrenden Händlern, die ins Dorf kommen. Auch in Supermärkten ist die Qualität deutlich besser als bei uns und auch billiger. Paprika kostet bei unseren Supermärkten das ganze Jahr einheitlich 89 Cent pro Stück, auch zur Saison. Das macht einen Kilopreis von fast 7.- €. Pfefferoni um 59 Cent pro Stück! Da werden die Kilopreise geschickt versteckt. Und ich glaube nicht, dass in Italien irgendjemand frisches Basilikum um fast 100.-€ pro Kilo kauft, was bei uns allerdings üblich ist…
Danke!! Endlich spricht das mal klar wer aus. Es ist zum Teil wirklich völlig aburd, was für Preise in Österreich für Gemüse verlangt werden. Leider nicht nur im Supermarkt: z.B. auch mal den Kutschkermarkt besuchen, dort wird nur mehr in 1/4-Kilo-Preisen angeschrieben, damit die alten Damen keinen Herzinfarkt bekommen, wenn sie die Preise sehen.
Anregung für einen weiteren Humbug der Woche: Weinpreise in Österreichs Restaurants. Überall in Mittel- und Südeuropa kriegt man für unter 20 Euro eine sehr anständige Flasche zum Essen. (von in Weinanbauländern meist sehr gutem Schankwein um 5-10 Euro der Liter gar nicht zu reden). In Österreich gibt’s das höchstens beim Heurigen.
Danke für den gelungenen Beitrag! Esskultur in Österreich leider nicht so toll, Schweinefleisch und Bier als Highlights, das ist das kulinarische Verständnis von 16jährigen Burschen, tragisch. Gesundheitliche Folgen überall ersichtlich.