„Warum leckt der Hund seine Eier? – weil er’s kann!“
Mit diesen Worten begann der legendäre Grafiker Neville Brody in den späten 80er Jahren seine Präsentation des grafischen Redesigns für den ORF. Er meinte damit, man solle nichts allein deshalb einsetzen, nur weil es technisch machbar ist – genau das sei nämlich die Hauptquelle für schlechtes Design!
Als ich unlängst in einem Ferien-Appartment erstmals einen Induktionsherd mit Touchscreen-Bedienung vorfand und schon beim ersten Kochen von Wutanfällen geplagt wurde, fiel mir sofort dieses Zitat ein. Warum um Himmels Willen baut man sowas? – Einmal tippen um die Bereitschaft des Herdes zu aktivieren, dann die Nummer des betreffenden Kochfelds auswählen und per Plusminus-Tasten einen Wert zwischen 1 und 9 eingeben – das dauert einige Sekunden, man muss nachdenken, macht Fehler und mit nassen oder fettigen Fingern funktioniert es überhaupt nicht. Also immer wieder fluchend die Hände waschen und abtrocknen, während alles anbrennt, weil man nicht schnell genug zurückdrehen kann.
Was war denn falsch am guten alten Drehregler?
Die Konzentration ist nicht beim Kochen selbst, sondern bei der erstaunlich komplizierten Steuerung eines an sich watscheneinfachen Vorgangs: Hitze rauf, Hitze runter. Was war denn falsch am guten alten Drehregler? Drehen nach links oder rechts – das geht auch ohne hinzuschauen blitzschnell und mehr noch, es muss einem gar nicht bewusst werden, genauso wie wenn man beim Autofahren auf die Bremse tritt. Man tut es automatisch, es wird vom Unterbewusstsein erledigt und man kann seine Aufmerksamkeit auf das konzentrieren, was wichtig ist.
Ist es vorstellbar, dass man beim Autofahren aus einem Bildschirmmenü die Option „Bremsen“ auswählen muss, um dann einen numerischen Wert für die Stärke des Bremsvorgangs einzugeben? Man würde es vermutlich nicht überleben. Warum also baut man solch schwachsinnige Steuersysteme in Küchengeräte ein? – nun ja … weil man`s kann! Und weil Touchscreens zur Zeit allgemein als cool gelten. Zu Recht, denn für die Steuerung der komplexen Inhalte und Funktionen von Smartphones oder Pads sind sie eine bahnbrechende Verbesserung. Und Dank einiger Milliarden Smartphones sind sie mittlerweile ein billiges Massenprodukt. Cool und billig? – dieser Versuchung kann kein effizienzhaschender Product-Manager widerstehen. Aber bei einem Herd oder Backrohr sind sie idiotisch und gegenüber älteren Technologien (Drehregler) haushoch unterlegen.
Dutzende rätselhafte Grafiksymbole blätterten unter unseren verzweifelt wischenden Fingern vorbei
Eine Freundin hat vor kurzem ein teures Luxus-Backrohr mit Dampffunktion erworben. Ohne intensive Einschulung war da gar nichts zu machen; wir wollten Kartoffeln bei 80 Grad im Rohr warmhalten, scheiterten jedoch kläglich, obwohl Informatiker in unserer Runde waren und die Freundin schon einen Nachmittag mit dem umfangreichen Manual verbracht hatte. Dutzende rätselhafte Grafiksymbole blätterten unter unseren verzweifelt wischenden Fingern vorbei, Labyrinthe von Menüs und Untermenüs taten sich auf. Wir fanden Programme für Forelle, Rebhuhn, Soufflé und Selbstreinigungsprozesse, aber nicht, wie man die Temperatur einstellt. Man kommt sich so blöd dabei vor.
Dabei geht es um ganz einfache Dinge: Temperatur, Feuchtigkeit und Art der Hitze (Oberhitze, Unterhitze, Umluft, Grill); all das ist mit 3 Reglern übersichtlich und problemlos steuerbar, und bei Profigeräten wird das auch so gemacht. Wem das zu kompliziert ist, dem hilft auch keine Forellen-Automatik, der sollte die Finger vom Kochen lassen. Aber vielleicht ist genau das der Punkt: Vielleicht wird mit diesen Geräten gar nicht viel gekocht, sondern sie werden als coole Prestige-Objekte gekauft, deren wahre Vorteile auf einer anderen Ebene liegen: Man kann sie hervorragend putzen!
LOL – schoen gesagt. Und der Herd ist nur die Spitze des Eisbergs – aber wahrscheinlich die wo es ECHT weh tut. Diesen Bloedsinn findet sich doch inzwischen ueberall. Und du sagtest es schon: es ist billig. Einen vernuenftigen Schalter zu bauen (oder Regulator bei Gas), den man jeden Tag fuer 10-15 Jahre benutzen kann, kostet. So ein 0815 Touchscreen gibts halt fuer sehr wenig Geld – und man braucht nur einen. Wie so oft: an der falschen Stelle gespart
Genau! Allerdings sind es wahrscheinlich nicht die Kosten allein, die zu solchen hirnverbrannten Systemen führen, schließlich findet man diese touchscreens auch bei Geräten, die tausende Euros kosten – es ist auch Blödheit und der naive Glaube an den technischen Fortschritt, dass alles was neu ist, automatisch besser sei als das Alte.
Ich bin auch manchmal am Verzweifeln. Habe dann alles mögliche ausprobiert und habe, so blöd es sich auch anhört, scheinbar eine Lösung gefunden: Mite einem DEi (rohm oder gekocht) geht das bei mir ohne Probleme. Vielleicht kann ein Chemiker da seinen Komentar dazu geben?
Der Bub gründet eine WG, eine Küche muss her, es gibt nur Stromanschluss. Gasherd fällt deshalb weg. Ich will keinen Kombi-Herd, denn heute sind alle Kochfelder aus Ceran und wenn dir da ein Topf draufklescht und das Kochfeld zerspringt, wächst sich das Problem aus, weil das depperte Feld ja mit dem Ofen kommuniziert. und ein Austausch unfassbar kompliziert ist. Ich hab jetzt das günstiges Kochfeld mit ohne Touchscreen, dafür mit manuellen Reglern um flockige 119 Euro erstanden und kann ab nächster Woche berichten, ob das ein Blödsinn war oder nicht.
Da sind wir gespannt! – Es ist nicht leicht, überhaupt eine brauchbare Kochplatte zu bekommen, wenn kein Gas vorhanden ist.
Induktion funktioniert zwar ganz gut (direkt und schnell), aber man braucht wieder eigene Töpfe dafür. Eine offene Flamme ist eigentlich durch nichts zu ersetzen…
Als ich meine Küche eingerichtet habe, wollte ich einen Gasherd OHNE Elektronik. Einzig ein italienischer Hersteller konnte liefern. Wenn man es super-sauber haben will, kann man die Drehregler komplett demontieren, in ihre Komponenten zerlegen (!) und sich ganz nach Lust und Zeit ihrer Reinigung widmen. Es war übrigens das günstigste Gaskochfeld von allen! Scheint auch ein bisschen eine Frage der Kochkultur zu sein…
Schön, wie Ihr schreibt. Auf Eurer Seite kommen zwei Dinge zusammen, die ich sehr schätze, Ahnung von genussvoller Nahrung und sprachliches Charisma.
Aber ich glaub man kann nicht “haushoch unterlegen” sein. Höchstens kellertief, grubentief, Grand Canyon tief…
Grüße aus Franken!
Haha, das ist richtig. Aber ich glaube, man versteht hochhaustief was gemeint ist…
Ich bin auf Eure Seite gestossen: erfrischend, belebend einfach super. Die neuen Kochfelder und anderer Unsinn, jetzt sogar in Autos hat wahrscheinlich einen Sinn: es ist billiger in der Produktion. Keine mechanischen Teile nur doofwischen, der Konsument wirds schon fressen. Habe mich schon mit Miele und Siemens-Verkäufern darüber gestritten – ziemlich laut.
Liebe Grüße und weiter mit der Vernunft.
Vielen Dank für die Blumen!
Ihr sprecht mir aus der Seele, ich brauch mich nicht mehr verbreitern. Ich hab so ein doofes Wischfeld seit einigen Jahren. Ab gesehen vom Blöd-Wischen “hängt es sich immer wieder auf”. Wischen, tippen … mausetot. Sicherung raus … warten … Sicherung rein, manchmal auch 2x hintereinander.
Ja, leider geht die Industrie, wie so oft, am Kunden vorbei.
Allerdings wollen viele Kunden nicht viel Geld ausgeben und auch ggf. ein Induktionsfeld zu einem bestehenden Backofen nachrüsten.
Das macht die Sache mit dem Bedienfeld komplex.
Die Nachfrage nach Kochfeldern mit separatem Bedienfeld ist offenbar nicht so groß, als dass es sich lohnt so etwas ins Sortiment aufzunehmen.
Mich nervt es auch total, dass es fast nur noch diese benutzungsunfreundlichen Sensorfelder gibt.
Viele Kundinnen lassen sich wohl auch von angeblichen Fachverkäufern belabern und merken erst im Gebrauch, was für ein Murks man ihnen angedreht hat.
Hat denn jemand einen guten Tipp für ein Induktionskochfeld mit Knebelbedienung? Ich finde nur bei Miele die ProLine (leider eher kleine Felder, man braucht dann mehrere) und bei Gaggennau eine bestimmte Linie, die wenigstens teilweise auf Touch verzichtet.
Gerne auch Geräte aus dem Profibereich, ich möchte Funktion in der Küche haben, kein Design 🙂
Mit 81 Jahren soll ich mich nun an die neue herumplagte gewöhnen! Hat jemand einen Tipp wie man sie besser sichtbar macht, die Zeichen auf der Blende? Immoment muss ich mit Taschenlampe arbeiten!el
Zunächst möchte ich den Machern dieser Web-Side ein Lob aussprechen. Aufmerksam auf diese Web-Side wurde ich durch Vincent Klink vom Restaurant Wielandshöhe in Stuttgart. Zu der Thematik Digitalisierung in der Küche kann ich nur aus eigener Erfahrung sagen : Absoluter Bockmist ! Was die Industrie der weißen Ware sich dabei gedacht hat, ist mir als technisch begabter Mensch völlig schleierhaft. Nur weil alles machbar und das Machbare dem aktuellen Zeitgeist untergeordnet ist, heißt das noch lange nicht dass es Massentauglich ist. Es ist wie in allen gesellschaftspolitischen Ebenen aktuell angesagt bewährtes unter der neoliberalen Zeit-Geist-Lupe zu betrachten. Nicht alles was technisch machbar wäre muss auch gemacht werden. Dieser technologische Wahn dem wir seit geraumer Zeit hinterherhecheln wird uns eines nicht so fernen Tages die Augen öffnen, nämlich dann wenn nichts mehr funktioniert, Allerdings dürfte es dann zu spät für eine Umkehr oder Rückbesinnung sein, weil die bewährten analog-elektronischen Technologien mangels Kenntnissen nicht mehr zur Verfügung stehen. Muss mich leider4 auch mit einem Ceran-Kochfeld beschäftigen, allerdings ist die Steuertechnik noch auf der elektronisch-analogen Basis aufgebaut mit den bewährten Stufenlos einstellbaren Drehreglern. Beste Grüße aus dem schwäbisch Ländle de Dichter und Denker
Grausam was man hier für eine gequirllte Scheisse lesen muss, bin ich auch schon wieder weg. Aber noch eines, bleibt in der Steinzeit…ROFL…
. . . und wauns da ned gfoid daun schieaß da a loch ins knia . .
Haha, so gut! Grad hab ich mir ein altbackenes Ceranfeld mit Drehknebel gekauft, und es war auch noch günstiger als das Modell mit touch. Lucky me!