Kunst – das ist ein Wort, ein Begriff, der sich trotz aller Versuche hartnäckig einer genauen Definition entzieht und im Lauf der Zeiten ständig seine Bedeutung verändert, aber immer ein Gegenstand von leidenschaftlichen Auseinandersetzungen war und ist.
Zunächst bezeichnet Kunst einen Gegensatz zur Natur: das Kunstwerk als ein künstlich vom Menschen hergestelltes Phänomen, das nicht natürlich entstanden ist. In Begriffen wie “Kunststoff” oder “Kunstdünger” ist diese Bedeutung noch enthalten.
So gesehen ist Kochen die ursprünglichste Form der Verwandlung von Natürlichem zu Künstlichem: Der Apfel ist natürlich, das Apfelmus vom Menschen gemacht, also künstlich.
Kunst kommt von Können, denn käme sie von Wollen, hieße sie Wunst
Eine Besonderheit des deutschen Begriffs Kunst ist es, dass er sich von Verb können herleitet – Kunst im Sinne von “das was man kann”, das Gekonnte – als Synonym von Kenntnis, Fähigkeit oder Meisterschaft.
Insofern stimmt der Aphorismus, der auf den Autor Ludwig Fulda zurückgeht: “Kunst kommt von Können, denn käme sie von Wollen, hieße sie Wunst”.
Der Spruch klingt ja lustig, wurde aber immer wieder zur Diffamierung neuer Kunstströmungen eingesetzt, vor allem durch die Nazis bei ihrem Kreuzzug gegen die sogenannte “entartete Kunst”.
die Schönen Künste
Schon Platon unterscheidet zwischen “echter” Kunst und allen Tätigkeiten, die seiner Meinung nach nicht dazu gehören – zum Beispiel das Kochen. Er betrachtet es lediglich als “Geschicklichkeit” und “eine ganz vernunftlose Tätigkeit”, die nichts mit Kunst zu tun hat. (Ob der Mann je selbst gekocht hat?) –> Platon, Gorgias
Spätestens zur Zeit der europäischen Aufklärung wird die Systematik der “Schönen Künste” entwickelt: dazu gehören die Bildende Kunst (mit Malerei, Grafik, Bildhauerei und Architektur), die Musik, die Literatur und die Darstellende Kunst (mit Tanz und Theater). Vom Kochen ist dabei keine Rede!
Diese Geringschätzung des Kochens hält sich bis weit ins 20. Jahrhundert hinein. In seiner “Ästhetischen Theorie” behauptet der deutsche Philosoph Theodor W. Adorno, dass “Küche und Kunst sich ausschließen, was bedeutet, dass Kunst nicht dort sein kann, wo Lebensnotwendigkeit bestehe”.
In den philosophischen Diskursen von Platon bis Adorno geht es letztlich um elitäre Abgrenzung: echte, hohe Kunst gegen Kitsch und profanes Handwerk, besonders gegen das Kochen, das ja fast ausschließlich von Frauen praktiziert wird – und das in patriarchalischen Gesellschaften!
die Geringschätzung der kochenden Frauen im Patriarchat
Die amerikanische Politologin Janet A. Flammang bietet in ihrem Buch “The taste for civilization” eine mögliche Erklärung für diese Geringschätzung an: “Nahrung wird mit dem Tastsinn, dem Geruchssinn und dem Geschmackssinn wahrgenommen, die in der Hierarchie der Sinne einen niedrigeren Rang einnehmen als das Sehvermögen und das Gehör, die beiden Sinne, über die wir nach landläufiger Meinung Wissen erlangen. In Philosophie, Religion und Literatur wird Nahrung meist mit dem Körper, dem Tierischen, dem Weiblichen und dem Appetit in Verbindung gebracht – mit Dingen, die zivilisierte Männer durch Wissen und Vernunft zu überwinden suchen.”
Das heroisch einsame Genie, aus der Mittelmäßigkeit der Gesellschaft weit herausragend und fast immer männlich, prägte über Jahrhunderte die Vorstellung des Künstlers. Dieses Bild passte so gar nicht zu den kochenden Frauen, die ja ihre Gerichte nicht aus solitären Geistesblitzen, sondern aus einer kollektiven Erfahrung und Tradition heraus in der Verborgenheit der Küchen gemeinsam entwickelten.
Männer kochten ja nur, wenn sie bei Opferzeremonien das Fleisch der Tiere grillten und als Akteure der sakralen Handlungen im Mittelpunkt der Öffentlichkeit standen und dabei hohes Prestige genossen. Reste dieses rituellen Kochens der Männer finden sich auch heute noch, wann immer Fleisch im Freien gegrillt wird.
Doch es waren fast ausschließlich Frauen, die die eigentlichen Kochkulturen entwickelten, perfektionierten und weitergaben, indem sie viele Stunden täglich in den Küchen verbrachten, handwerkliches Geschick trainierten und hin und wieder Speisen hervorbrachten, die als Kunstwerk eigentlich mehr Beachtung verdienten als irgendein Schlachtengemälde. Doch das war nicht der Fall.
Und natürlich waren es dann fast nur Männer, die zu den ersten Starköchen avancierten, als dem Kochen ab dem 19. Jahrhundert allmählich mehr Aufmerksamkeit entgegengebracht wurde – wieder das Bild des genialen Helden mit einer Küche, die weit über dem Alltäglichen steht.
Selbst heute noch sind Frauen selten in der elitären und prestigeträchtigen Welt der Hauben- und Sterneköche, obwohl die Kochkultur an sich eigentlich eine weibliche Errungenschaft ist.
die Erweiterung des Kunstbegriffs
Erst im 20. Jahrhundert kommt es zu einer Erweiterung des Kunstbegriffs, etwa durch die “Readymades” von Marcel Duchamp, die Idee der “Sozialen Plastik” von Joseph Beuys, oder durch die Fluxus-Bewegung der 1960er Jahre. Die Grenzen der klassischen “Schönen Künste” werden endgültig gesprengt. Ein Kunstwerk muss nicht mehr zwangsläufig “schön” sein und kann auch in einer Aktion, einem Happening, einer sozialen Interaktion und vielem mehr bestehen.
Die Futuristen und das exaltierte Schwein
Das Thema Kochen wird von den italienischen Futuristen für die Kunst entdeckt. Öffentliche Festessen werden erstmals von ihnen als Kunstwerke deklariert.
Aber aus heutiger Sicht sind ihre Hervorbringungen ein Witz und zeugen von einem tiefgreifenden Missverstehen des Themas.
Filippo Marinetti fordert 1930 in seinem “Manifest der futuristischen Küche” die Abschaffung der Pasta und und eine radikale Erneuerung der Italienischen Küche. Alle Traditionen sollen ausgemerzt werden. Rezepte wie das “exaltierte Schwein” (Salami in Espresso und Kölnischwasser) oder das “Huhn Fiat” (mit Stahlkugeln gefülltes Huhn in Schlagobers) werden propagiert.
Darüber hinaus sollen die Speisen der Zukunft aus dem Labor kommen: “Nehmen wir die Chemie in die Pflicht: Sie soll dem Körper schnell die notwendigen Kalorien durch Nahrungsäquivalente zuführen, unentgeltlich vom Staat verteilt, in Pulver- oder Pillenform, die eiweißartige Stoffe, synthetische Fette und Vitamine enthalten” (Zitat Marinetti).
Bleibt noch zu erwähnen, dass dieser Spinner den Weg für den Faschismus aufbereitete und sein Freund Mussolini als Duce tatsächlich versuchte, die Pasta in Italien abzuschaffen – gottseidank völlig erfolglos. Die Mammas und Nonnas aus Neapel und anderen Regionen gingen auf die Straße, um das zu verhindern.
Heute erscheinen Marinettis Vorstellungen einer idealen Küche schlicht als Schwachsinn. Allerdings findet man manche Ansätze zum radikalen Neudenken des Kochens Jahrzehnte später auch bei der Molekularküche, wenngleich auch mit wesentlich fundierterem Anspruch und ohne politische Mission.
Daniel Spoerri und die Eat-Art
Einen völlig anderen Zugang zum Thema Kochen und Kunst findet in den 1960er Jahren der Schweizer Künstler Daniel Spoerri, der als Erfinder der Eat-Art gilt.
Seine “Fallenbilder” sind Objekte, in denen, wie in einer Falle, ein Stück Realität gefangen ist. Vor allem handelt es sich dabei um Tischplatten, auf denen die Reste und Spuren eines Gelages fixiert und konserviert sind, so dass sie wie Bilder an die Wand gehängt werden können.
In Düsseldorf betreibt er in den 1960er- und 70er-Jahren das Restaurant der sieben Sinne und die Eat-Art-Gallery, wo Bankette und Happenings mit anderen Künstlern als aktionistische Kunstwerke veranstaltet werden.
Modernist Cuisine und Molekularküche
Jahrzehnte nach den Futuristen entsteht in den 1990er Jahren eine Bewegung, die auch ein Neudenken des Kochens und der damit verbundenen Techniken anstrebt. Viele dieser Techniken werden aus der Lebensmittelindustrie übernommen, die diese schon lange anwendet: Denaturierung, Aromenübertragung, Garung bei Niedrigtemperatur, chemische Prozesse, Veränderung von Texturen, Emulgatoren, und so weiter. Diese Bewegung wird auf Deutsch Molekularküche und international Modernist Cuisine genannt.
Die Bezeichnung Molekulargastronomie geht auf den französischen Physiker und Chemiker Hervé This zurück, dessen Thema die naturwissenschaftliche Betrachtung von Kochvorgängen ist. Aus diesem wissenschaftlichen Ansatz hat sich ein neuartiger Kochstil in der Spitzengastronomie entwickelt. Der bekannteste Vertreter dieser Richtung ist der katalanische Koch Ferran Adrià, dessen Restaurant El Bulli zu einem Tempel und gleichzeitig zu einer Forschungsanstalt der Modernist Cuisine avancierte. Man würde Adrià jedoch Unrecht tun, wenn man ihn nur auf die Molekularküche reduzieren wollte!
Soweit wir wissen, hat keiner der “Molekularköche” selbst den Anspruch erhoben, Künstler zu sein, doch wurde Ferran Adrià als erster Koch 2012 zur documenta nach Kassel eingeladen. Begründung: “Under certain circumstances, cooking can also be considered as an art.”
Der amerikanische Millionär Nathan Myhrvold publiziert 2011 ein sechsbändiges Werk mit fast 2500 Seiten und 24 kg Gewicht – quasi eine Neudefinition der Herangehensweise an das Kochen: Modernist Cuisine: The Art and Science of Cooking – ein überaus detailreiches und präzises Werk mit vielen Rezepten, von denen aber kein einziges in einer normalen Küche umsetzbar wäre.
Peter Kubelka und die essbare Metapher
Die wohl fundiertesten Betrachtungen zum Thema “Kochen als Kunst” stammen aber vom österreichischen Filmkünstler und Künstlerkoch Peter Kubelka.
Er ist der erste, der das Kochen explizit an einer Kunsthochschule (Frankfurter Städelschule) als Kunst unterrichtet. Um zu zeigen, dass die kulinarische Praxis eine kunstvolle Tätigkeit und ein kreativer Gestaltungsprozess ist, der um nichts weniger geistig ist als Malen, Bildhauern, Musizieren und Filmemachen, lässt er in einem Veranstaltungsraum der Hochschule eine Küche einrichten.
In seinen legendären Vorträgen spricht Kubelka vom Kochen als “Speisenbau”, den die Menschen und ihre Vorfahren schon vor Jahrmillionen praktiziert hatten, lange vor der Höhlenmalerei oder anderen bildhaften Darstellungen.
Speisenbau als Ursprung aller bildenden Künste
Für Kubelka ist Kochen (oder der Speisenbau) die älteste Kunst überhaupt und somit der Ursprung aller kreativen bildenden Künste.
Selbst manche Tiere sind für Kubelka in der Lage, in diesem erweiterten Sinn zu kochen. Zum Beispiel durch die gezielte Kombination von Zutaten oder durch Fermentationstechniken, wie das Vergraben der Beute.
In vielen anschaulichen Beispielen verdeutlicht Kubelka diese ursprüngliche Verbindung von Kochen und bildender Kunst; etwa durch den Vergleich des Bilderrahmens mit dem Tellerrand, die beide das “Werk” umrahmen und dadurch von der Welt abgrenzen.
Auch den Ursprung von Technik und Design sieht Kubelka im Kochen. So kann man die ersten Artefakte wie den Faustkeil als eine “Auslagerung des Reisszahns” verstehen, oder den Löffel als Nachbildung der schöpfenden Hand samt Arm.
Die essbare Metapher
Ein zentraler Begriff für künstlerisches Schaffen ist die Metapher, das Erfinden von etwas Neuem durch das Zusammenbringen von Elementen, die ursprünglich nicht zusammen gehören. Vor allem in der Sprache aber auch in den bildenden Künsten werden so poetische Assoziationen hervorgerufen.
Für Kubelka liegt auch der Ursprung der Metapher im Kochen.
Peter Kubelka in einem Interview im Kunstforum (mit Heinz-Norbert Jocks, 2002):
“Was die bildende Kunst oder den Speisenbau betrifft, so ist für mich die Metapher in einem weiten Sinne ein wichtiger, aus dem Griechischen abgeleiteter Begriff und meint den Transfer von etwas an einen anderen Ort. Dabei werden mindestens zwei Elemente zusammengetragen, die etwas Neues bilden. In der Sprache wären das beispielsweise die Wörter “Rosen” und “Mund”. Wenn ich einem Mädchen zuflüstere, sie habe einen Rosenmund, so ist durch das Zusammentragen von zwei Wörtern ein neuer Begriff, eben eine Metapher entstanden. Diese Technik des Übertragens von Faktoren und des Bildens einer neuen Form gelingt nicht nur in der Sprache. Dort habe ich es weder mit einer realen Rose noch einem realen Mund, sondern mit Wörtern zu tun, die in meinem Gegenüber Erinnerungen abrufen.
Im Kochen wird, und das ist ungeheuerlich, tatsächlich übertragen und neu zusammengesetzt. Dazu ein Schulbeispiel: Wenn ich die im Wald gesammelten Himbeeren in einem Korb und die auf der Weide von einer Kuh gemolkene Milch in einer Kanne zu mir nach Hause trage, um beides in einem weiteren Gefäß mithilfe eines Löffels zusammen zu rühren, so bilde ich eine Metapher (…), die ich lesenderweise schmecken kann. Dieser Lesevorgang ist ein Entziffern, ein Decodieren und Verstehen. Ich schmecke den Inhalt meines Bissens, also die Milch, die mich als Herr der Kuh, und die Himbeeren, die mich als Herr des Waldes ausweisen. Aus diesem Jetzt-Moment heraus erlebe ich mich als Herrscher eines Herrschaftsraums aus Wiese, Wald, Lebewesen und Pflanzen. Ich verfüge über eine tatsächliche, auch essbare und lebenserhaltende Metapher, die wie die sprachliche die gesamte künstlerische schöpferische Kraft aufweist, aber in einem viel stärkeren Maße…”
Die Relational Art des Rirkrit Tiravanija
Auch der thailändische Künstler Rirkrit Tiravanija stellt das Kochen immer wieder in den Mittelpunkt seiner Arbeit, indem er seit 1992 Kochperformances in Kunstgalerien veranstaltet (zuerst in der 303 Gallery in New York, später in Luzern, Wien, Köln und London). Tiravanija verwandelt die Galerie in eine Küche, wo zum Beispiel Reis und Thaicurry kostenlos an die Besucher ausgegeben werden. Das Museum of Modern Art in New York hat 2012 diese Kücheninstallation aus der 303 Gallery von 1992 maßstabgetreu rekonstruiert und wieder zum Leben erweckt. Der Titel dieser Arbeit ist “Free”.
Diese Performances sollen als Gesamtkunstwerk verstanden werden, deren Hauptzweck die Verhinderung eines elitären Zusammentreffens ist. Allen elitären und prestigeträchtigen Konsequenzen des Essens versucht Tiravanija auszuweichen, indem er seinem Publikum eine vollkommene Öffnung bietet und zum Beispiel Direktoren und Kuratoren als Köche einsetzt. Jeder kann kommen und kostenlos essen, alle sind willkommen. Das Kunstwerk ist die Gemeinsamkeit der essenden und kommunizierenden Menschen, der Künstler selbst tritt in den Hintergrund.
Es geht dabei um ein Verschieben der Grenzen der Kunst in das alltägliche Leben. Der Künstler ist nicht mehr Schöpfer seiner Arbeit, sondern Initiator einer sozialen Interaktion, gleichsam ein Dienstleistender.
Im Englischen wird diese Kunstrichtung “Relational Art” genannt.
Was die Kochgenossen dazu denken
Kochen ist Kunst!
Im Sinne von Kubelka ist Kochen sogar der Ursprung aller bildenden Künste, sozusagen die “Mutter der Künste”.
Wobei natürlich nicht jedes Gericht ein Kunstwerk ist, genau so wie nicht jede Malerei, Musik oder Architektur eines ist.
Wie schon oben angeführt behauptet der deutsche Philosoph Theodor W. Adorno, dass Kochen keine Kunst sei, weil sie lebensnotwendig ist, und das schließe sich gegenseitig aus.
Ja, aber wir essen bei weitem nicht nur aus Lebensnotwendigkeit, sondern auch wegen eines Genusses, der geradezu ein Prototyp des sinnlichen Kunstgenusses und des Kunsterlebens ist. Essen ist nicht nur die Aufnahme der lebensnotwendigen Nährstoffe, sondern auch das schmeckende Auslesen von Metaphern und kulinarischen Zusammenhängen, die in die Urzeiten des Menschen und weit darüber hinaus verweisen. Würden wir nur aus Lebensnotwendigkeit essen, etwa in Pillenform oder die Tubennahrung der frühen Astronauten, würden wir in Depressionen versinken und letztlich eingehen.
Geschmack, Geruch und Tastsinn sind unmittelbar mit dem Erinnern verbunden, mit einem oft unbewussten, sinnlichen Erinnern, das sogar über persönlich Erlebtes zurück reichen kann. Wir kennen noch den Genuss des Grillens von rituellen Fleischopfern und feiern ihn heute auf Grillpartys; wir kennen noch den Genuss der Jäger- und Sammler-Kulturen unserer Vorfahren und leben ihn beim Schwammerlsuchen und Bärlauchbrocken aus. Wir genießen das Aroma, das offenes Feuer den Gerichten verleiht, obwohl wir heute ganz anders kochen können.
Und hin und wieder schmeckt man echte Kunstwerke, deren Genuss einen zum Stöhnen bringt und eine Ganslhaut bewirkt. Dieser tiefgreifende “Impakt” auf Körper und Psyche ist durchaus vergleichbar mit der Wirkung eines grandiosen Musikstücks.
Und die Kenner unter uns bemerken den Kitsch und die Lüge der industriell erzeugten Gerichte, die etwas vorgeben, was sie nicht sind. Allesamt imitieren handwerkliche Podukte, tun so, als wären sie “mit Liebe” von der Oma gekocht, wobei sie in Wirklichkeit maschinell hergestellt sind und mit allen möglichen Tricks versuchen, diesen industriellen Ursprung zu verbergen. Diese Speisen erzählen schmeckbare Geschichten von Täuschungsversuchen, Gewinnoptimierung und vom Kampf, am “Markt” zu bestehen.
Letzlich schmecken sie nach Kapitalismus.
An den Kochaktionen des Rirkrit Tiravanija gefällt uns besonders, dass er versucht, allen elitären und prestigeträchtigen Aspekten des Kochens und Essens entgegenzuwirken.
Im Sinne einer fortschreitenden Demokratisierung versuchen auch wir, Protzen, Statuswünsche und soziale Distinktion beim Kochen als irrelevant zu überwinden.
You don’t need a silver fork, to eat good food!
Michael Langoth, Mai 2021
Schöner Beitrag!
Ich bin Zauberkünstler, auch unsere Kunst wird oft nicht als Spielart der darstellenden Künste gesehen. Auch vom Finanzamt, ich muss als Gewerbetreibender 20% MwSt. verrechnen, statt 10% als Künstler.
Bei allem, was Spaß macht, ist man bei der Beurteilung als Kunst oder nicht sehr streng, ob Kochen oder Zaubern, gleichgültig auf welchem Level.
Bei uns ist aber das Gender-Argument nicht zutreffend. Es gibt leider nur wenige zaubernde Frauen, warum versteht keiner. Die Geringschätzung der Zauberkunst hat andere Gründe.
Danke euch für diesen besten Kochblog und ich kenne wirklich viele. Ich koche seit einem Jahr in der Firma aufgemoebelt meines Schwiegersohns Jakob und seit ein paar Monaten, als ich euren Blog entdeckte immer wieder nach euren Rezepten und alle sind glücklich. Und ja ich meine auch das Kochen eine Kunstform sein kann und soll, denn Kunst kommt von können und nicht von wollen, sonst hieße es ja Wunst. 🙂
Liebe KochgenossInnen,
ich habe schon viel über Essen, Kochen und Philosophieren drüber erfahren, von Billat-Savarin, den ich als Prüfungsthema hatte, über Kubelka, den ich mehrfach life in seiner Frankfurter Zeit erleben durfte, über zahllose unbekannt gebliebene Meister von Brasilien bis Vietnam, aber selten habe ich ein so knappes klares Plädoyer für die Kunst des Kochens gelesen. Es spricht mir aus dem Herzen und es wird einmal mehr klar: Kochen ist eine Kunst, die sich, wie die Malerei im Mittelalter, aus einem tradierten Handwerk entwickelt hat, Grundpfeiler jeder Kultur ist und eine existenzielle Nähe zu uns hat. Kochen gründet wie die Musik auf einer Haltung, unser Dasein zu transzendieren und den Sinn des Lebens da zu finden, wo uns das Sinnliche bewegt und Resonanz bei den Mitmenschen erzeugt. Wenn wir zusammen essen und trinken, vergessen wir, dass wir uns gegenseitig verschlingen wollten.
Bravo, wir schätzen und lieben Euch!
Herzliche Grüße aus Frankfurt
Nikolaus A. Nessler
für Schwarm_21
Vielen Dank!