Liwanzen sind ein Klassiker der böhmischen Mehlspeisküche, der auch bei den Nachbarn Österreich und Bayern verbreitet ist. Sie werden bisweilen auch Dalken genannt, hergeleitet vom tschechischen Begriff vdolky für “kleine Mulde”.
Sie werden aus einem fast flüssigen Germteig hergestellt und in speziellen Pfannen mit kleinen Vertiefungen mit wenig Schmalz gebraten, traditionell mit Schweineschmalz (wir verwenden Butterschmalz). Sie gelingen aber auch problemlos in einer flachen Pfanne.
Dieses Gericht mit Heidelbeeren und Smetana haben wir vor kurzem in der südböhmischen Stadt Třeboň (Wittingau), im Restaurant Bílý Koníček (weißes Rössl) gegessen und waren davon hellauf begeistert – sosehr, dass wir uns sofort an die Arbeit gemacht haben, um diese Köstlichkeit zu rekonstruieren.
Drei unterschiedliche Teigrezepturen wurden dabei ausprobiert und wild gewachsene Waldheidelbeeren mit gezüchteten Blaubeeren aus dem Supermarkt verglichen. Die Ergebnisse wurden dabei mehrmals verworfen und Mengenverhältnisse verändert, bis wir mit dem hier vorliegenden Rezept zufrieden waren.
Das Reizvolle an dem Original aus Třeboň war, dass die Liwanzen gar nicht flaumig waren, sondern eine gewisse Bissfestigkeit zeigten, was im Kontrast zu den üppigen Cremen aus dunklen Beeren und Rahm besonders geil war.
super flaumig ist kontraproduktiv
Einer unserer ersten Versuche war an ein Rezept angelehnt, bei dem Eischnee und flüssige Butter in den Germteig gerührt werden. Die Dalken sind dabei schön aufgegangen und waren super flaumig, was in diesem Zusammenhang aber kontraproduktiv ist – kein haptischer Kontrast, alles weich und flaumig, und genau deshalb uninteressant!
In den modernen europäischen Kochtechniken wird Weichheit und Flaumigkeit oft übertrieben. Auch sous-vide gegartes Fleisch kann oft zu zart und weich geraten, man hat dabei nichts mehr zu beißen; und es gibt für uns nichts schlimmeres als die in der gehobenen Gastronomie omnipräsenten “Schäumchen”, oder einen hoch aufgegangenen Kaiserschmarrn, der an ultrafluffige Industriekuchen erinnert.
Schließlich hat sich ein viel einfacherer Teig durchgesetzt, der weit weniger aufgeht und den gewünschten Bissfestigkeitskontrast zur Cremigkeit von geschmolzenen Beeren und Rahm aufweist.
Wichtig ist auch, dass von beidem nicht nur ein kleiner Klecks dazukommt, sondern richtig viel! Die mit der Gabel abgetrennten Teigstücke sollen in der üppigen Cremigkeit richtig baden können, wenn sich intensives Dunkelviolett und reines Weiß auf fast erotische Art miteinander vermischen.
echte Heidelbeeren versus gezüchtete Blaubeeren
Echte Waldheidelbeeren eröffnen natürlich ein breiteres und komplexeres Aromenspektrum als gezüchtete Blaubeeren. Vor allem eine herbe, an feuchten Waldboden erinnernde Komponente fehlt bei den kultivierten Beeren völlig.
Trotzdem gelingt – zu unserer Überraschung – der Röster mit den Supermarktbeeren erstaunlich gut. Dem fügen wir einen kleinen Spritzer Zitronensaft zu, während die echten Heidelbeeren nur mit etwas Zucker geschmolzen werden.
Noch ein Wort zu den traditionellen Augenpfannen, von denen sich der Name Dalken (Grübchen) herleitet: die braucht man gar nicht!
Der Teig lässt sich problemlos mit einem kleinen Schöpflöffel nebeneinander ohne Berührung in einer flachen Pfanne portionieren, sodass man perfekte Minifladen bekommt. Wichtig dabei ist nur, dass man die Unterseite der Kelle bei jedem Schöpfvorgang am Rand der Teigschüssel abstreift, damit keine Teigtropfen in die Pfanne fallen.
Auch ein Versuch mit kleinen Metallringen, die den Teig in Form halten, hat sich nicht bewährt. Die Masse bleibt an den Ringen kleben und muss mit dem Messer gelöst werden.
Zutaten für etwa 4 Portionen:
- 150 g Mehl (universal oder glatt)
- 200 ml Milch
- 1 Ei
- 10 g Germ (Frischhefe)
- 1 Bio-Zitrone
- 200 ml Sauerrahm
- 100 g Topfen (Quark) 10%ig
- Kristallzucker
- Staubzucker
- 300 g Heidelbeeren
- Zimt, gemahlen
- 1 Prise Salz
Zubereitung:
- 200 ml Milch auf lauwarm bringen
- 10 g Germ/Hefe in eine Rührschüssel zerbröseln
- ein Drittel der lauwarmen Milch darüber gießen
- ein zimmerwarmes Ei, 10 g Kristallzucker, eine Prise Salz und den Schalenabrieb einer halben Zitrone dazugeben und gut verrühren
- die Schüssel mit einem Tuch abdecken und an einem warmen Ort 15 min “gehen” lassen (keine Zugluft!)
- dann die restliche Milch dazugeben und 150 g Mehl nach und nach einrühren
- diesen Teig etwa 5 min mit einem Holzlöffel kräftig rühren, bis er leicht andickt
- die Schüssel abermals mit einem Tuch abdecken und an einem warmen Ort 45 min “gehen” lassen (keine Zugluft!)
- 200 ml Sauerrahm mit 100 g Topfen und 20 g Staubzucker gut verrühren
- 2 EL Kristallzucker ohne Fett in einem kleinen Topf anschmelzen und sofort 300 g frische Heidelbeeren dazu geben. Unter Rühren kurz stark aufkochen lassen, damit der Saft austritt. Dann vom Herd nehmen und auskühlen lassen
- 1 TL Butterschmalz in einer großen Pfanne schmelzen und mit einem kleinen Schöpflöffel den Teig portionsweise hineingeben, ohne dass sich die Teile gegenseitig berühren. Dabei die Unterseite des Schöpflöffels am Rührschüsselrand gut abstreifen, damit keine Teigtropfen in die Pfanne fallen.
- bei geringer Hitze 2 min braten, dann umdrehen und weitere 2 min braten
- herausnehmen und die nächste Partie braten
- 4 bis 5 Liwanzen pro Teller anrichten, mit Zimt und reichlich Staubzucker bestreuen und je ein bis zwei großzügig bemessene Löffel von der Rahmcreme und dem Beerenröster dazugeben
- das Gericht sollte kalt, eventuell sogar gekühlt gegessen werden
Meine geliebte Großmutter selig, aus Böhmen, machte Liwanzen immer ohne Schnee und in einer flachen Pfanne. Die fertigen Liwanzen wurden mit geschmolzener Butter, Zucker und Zimt in eine Pfanne geschichtet und harrten dann, mit einem Deckel bedeckt, auf den Rest der hungrigen Familie. Die Liwanzen waren schon flaumig, aber durch die “Dampfigkeit” in der Pfanne und das Durchtränkt-werden mit geschmolzener Butter, mit einem gewissen Biss.
Ich koche sie nicht mehr, genau, wie ich keine Mohnnudeln mehr koche. Zweitens haben sie gefühlt 1.230 Kalorien pro Bissen, aber erstens schmecken sie nicht so wie bei meiner Großmutter, und aus Pietät lasse ich’s bleiben.