Wenn man von der genuinen Wiener Küche spricht, dann trifft das weniger auf das Schnitzel zu, als auf die Tradition des gekochten Rindfleischs.
Panierte Schnitzel sind historisch nicht (nur) in Wien entstanden, aber die Kunst des Rindfleisch-Kochens ist seit Jahrhunderten besonders typisch für die österreichische Hauptstadt, und erlebte ihre Hochblüte in der k. & k. – Monarchie des 19. Jahrhunderts.
Das hat mit der historischen Rolle der Stadt als “Schlachthof Mitteleuropas” zu tun. Wie die Cowboys in Texas trieben Hirten riesige Rinderherden aus den ungarischen und ukrainischen Tiefebenen in die Schlachthöfe der Donaumetropole; was dazu führte, dass Rindfleisch geradezu im Überfluss vorhanden war und fast zu jeder Mahlzeit dazugehörte.
Schon Mitte des 19. Jahrhunderts standen in den aristokratischen und bürgerlichen Haushalten bei jedem Essen, mittags wie abends, Rindsuppe und gekochtes Rindfleisch als Vorspeisen auf dem Programm. Erst danach gab es einen Hauptgang und/oder eine Mehlspeis’!
eine enorme Vielfalt von Fleischteilen und Beilagen
Das mag eintönig klingen, doch durch eine enorme Vielfalt von Fleischteilen und Beilagen wurde durchaus für Abwechslung gesorgt.
Das bekannteste Stück zum Kochen ist der Tafelspitz, doch die Bandbreite unterschiedlicher Fleischteile war enorm: Beinfleisch, weißes und schwarzes Scherzl, Kügerl, Hieferl, Rieddeckel, dicke Schulter, warmer Spitz, Fledermaus, Kavalierspitz, Schulterscherzl, und viele mehr.
Wir bevorzugen unter anderen das Schulterscherzl, weil es schön saftig ist. Und wie bei jedem Fleisch ist die Qualität sehr wichtig für das Gelingen – also nicht mit billigem Supermarktfleisch sparen! In Wien empfehlen wir die Fleischereien Ringl und Hödl.
Noch vielfältiger wie die Fleischsorten waren die dazugehörigen Saucen und Gemüsebeilagen, denn das gekochte Fleisch braucht unbedingt etwas Saftiges als Beilage. Ingrid Haslinger zählt in dem Buch “Tafelspitz & Fledermaus” fast 80 Saucen und saftige Gemüsebeilagen auf, die speziell für gekochtes Rindfleisch gedacht sind: von Schnittlauchsauce bis Oberskren und von Dillfisolen bis Kohlrabi. Dazu kommen fast 20 verschiedene Zubereitungen von Kartoffeln – pardon – Erdäpfeln.
Rindfleisch sollte man in möglichst großen Stücken kochen, deshalb sind unsere Mengenangaben für 8 Personen gedacht.
Zutaten für 8 große Portionen:
- 2 kg Schulterscherzl vom Rind (Schaufelstück, Mittelbugstück)
- 1 kg Markknochen vom Rind
- 1 Bund Suppengrün (Petersilwurzel, Knollensellerie, Karotte, Gelbe Rübe) insgesamt ca. 400 g
- ca. 200 g Zwiebel
- ca. 100 g Lauch
- ca. 12 Pfefferkörner
- 1 TL getrockneter Liebstöckl (oder 2-3 frische Blätter)
- frischer Petersil
- frischer Schnittlauch
Zubereitung:
- Knochen gründlich abspülen
- Suppengemüse schälen
- Zwiebeln halbieren und ohne Fett in der Pfanne anrösten bis die Schnittflächen schwarz werden
- Zwiebeln, Knochen und Gemüse mit ca. 3,5 l kaltem Wasser zustellen und zum Kochen bringen
- Sobald das Wasser kocht 2 EL Salz einrühren und das Fleisch einlegen. Hitze reduzieren – das Wasser sollte nur ganz sanft köcheln, sodass nur ab und zu und vereinzelt Bläschen aufsteigen
- zugedeckt 1 Stunde sanft köcheln lassen, dann Gemüse und Zwiebel herausnehmen
- 1 TL getrockneten Liebstöckl (oder einige frische Blätter) und 12 Pfefferkörner dazugeben und weitere 2 Stunden zugedeckt köcheln
- sobald das Fleisch weich genug ist (Stichprobe) abdrehen, aber in der Suppe belassen, bis es aufgeschnitten und serviert wird
- die Fleischschnitten mit ein wenig Suppe begießen, salzen, und mit etwas Schnittlauch bestreuen
Kohlrabigemüse:
- 1,4 kg junge Kohlrabi
- 100 g Butter
- 4 TL Mehl
- frischer Petersil
- ca 300 ml kräftige Rindsbouillon (oder Gemüsebouillon)
- Salz
- Kohlrabi schälen und in 5–7 mm dicke Scheiben schneiden, diese dann vierteln
- Kohlrabistücke in einem Kochtopf mit 300 ml kräftiger Rindsbouillon (oder Gemüsebouillon) aufgießen. Auf kleiner Flamme mit dicht aufgesetztem Deckel etwa 15 min köcheln, bis das Gemüse einen weichen, im Kern jedoch noch etwas knackigen Biss hat – keinesfalls zu weich kochen! Also nach etwa
10 min Kochzeit mit dem Kosten beginnen. Dann abdrehen und ableeren, dabei den Kochsud auffangen. - Butter schmelzen und bei niedriger Hitze 4 TL Mehl einrühren. Diese Einbrenn soll keinesfalls braun werden! Also rasch mit etwas Suppe, in der der Kohlrabi gekocht wurde, aufgießen und sehr gut verrühren, damit sich keine Klumpen bilden. Sobald die Einbrenn wieder fester wird, abermals aufgießen und verrühren, bis man die richtige, sämige Saucenkonsistenz erreicht hat – nicht zu dick und nicht zu dünn.
- Sobald die Konsistenz passt, die Kohlrabistücke vorsichtig untermischen, ebenso etwas frisch gehackte Petersilie. Mit Salz und Pfeffer abschmecken.
Erdapfelschmarrn:
- 1600 g aromatische Kartoffeln
- 2 kleine Zwiebeln
- 80 g Butter & 4 EL neutrales Öl oder 120g Butterschmalz
- Salz
- Kartoffeln in der Schale kochen und schälen. In daumengroße Stücke schneiden.
- Zwiebel fein hacken oder in dünne Scheiben schneiden
- Butter und Öl (oder Butterschmalz) in einer großen Pfanne erhitzen, Zwiebeln bei mäßiger Hitze anschwitzen, bis sie zu bräunen beginnen.
- Nun die Kartoffelstücke flach auf die Zwiebeln verteilen und mit einem Stampfer fest anpressen, dabei die Stücke teilweise quetschen, aber nicht völlig zermatschen. Ein Schmarren ist kein Püree!
- einige Minuten warten, bis auch die Unterseite der Kartoffeln leicht gebräunt ist.
- salzen. Dann mit einer flachen Schaufel portionsweise umdrehen, anpressen und weiter bräunen.
- Anschließend durchmischen und weiter braten, bis sich Farbtöne von Semmelblond bis Hellbraun zeigen