Hier ist das “Original der Originale” einer Speise, die wie kaum eine andere verhunzt worden ist bei ihrer Verbreitung in die Welt.
Außerhalb Italiens kennt man dieses Gericht meist mit Kochschinken und Obers (Sahne) zubereitet, wobei vom Ei oft nur der Dotter verwendet wird. Die Engländer geben bisweilen sogar Erbsen und Champignons dazu.
In der Ursprungsregion Latium und in Rom ist man über dieses Missverständnis hellauf entsetzt und betrachtet selbst norditalienische Variationen mit Pancetta und Parmesan als kulinarische Sünde.
Denn die Puristen verwenden ausschließlich Guanciale, einen Speck, der aus der Schweinebacke hergestellt wird. Und als Käse kommt nur der Pecorino romano infrage.
Auch wir haben schon vor Jahren ein Rezept mit Pancetta veröffentlicht, für das wir auch mediale Prügel bezogen haben, auch weil wir das Speckfett beim Braten mit etwas Knoblauch und Chili aromatisiert haben. Niemand ist beim Kochen so streng wie die Italiener – und irgendwie haben sie ja recht: mit dieser Haltung haben sie eine herausragend eigenständige Kochkultur erhalten, die sie leidenschaftlich als starke Identität empfinden.
Trotzdem stehen wir zu unserer Carbonara-Variante mit Pancetta, sofern man keinen Guanciale bekommt; was ja außerhalb Italiens nicht leicht ist. Und auch die Verwendung von Parmesan ruiniert die Speise nicht. (Pasta alla Carbonara der Kochgenossen)
Wichtig ist vor allem, dass man das Prinzip dieses Speiseformats versteht: es geht um das ausgelassene Fett des Specks, das mit etwas Kochwasser von den Nudeln zu einer Emulsion gerührt wird. Und es geht um den richtigen Zeitpunkt und die richtige Temperatur, wenn das rohe Ei und der Käse dazukommen. Da darf die Pfanne nicht mehr am Feuer stehen, sonst gibt’s Eierspeis statt cremig emulgierter Sauce.
Zutaten pro Portion:
- 1 großes Ei
- 80g Guanciale = italienischer Speck von der Schweinebacke (gute Qualität bei der Fleischerei Gissinger in Wien gefunden)
- 80g Pecorino romano
- 120g Spaghetti
- schwarzer Pfeffer (grob gemahlen)
Zubereitung:
- Guanciale in nicht zu dünne Streifchen oder Würfel schneiden
- Pecorino reiben
- Ei in eine Schüssel schlagen und mit der Hälfte des Pecorino (40g) und grob gemahlenem Pfeffer mit dem Schneebesen gut durchmischen
- Guanciale bei geringer Hitze sanft anbraten, nicht stark bräunen!
- Spaghetti al dente kochen
- Guanciale mit etwas Kochwasser aufgießen und gut durchmischen, damit das Wasser mit dem Fett emulgiert
- Hitze ganz abdrehen
- Spaghetti in die Pfanne geben und gut durchmischen
- Ei-Käse-Mischung zugeben und gut durchmischen, 1 min rasten lassen
- beim Anrichten etwas Pfeffer und Pecorino auf den Tellerboden geben, darauf die Spaghetti. Obenauf nocheinmal Pfeffer und Pecorino.
- sofort servieren
Darf es statt dem Guanciale auch ein klassischer Goderlspeck sein?
Guanciale ist ein Goderlspeck. Stark geräuchert sollte er halt nicht sein.
Was ist denn eigentlich Goderlspeck ? fragt ein Kollege aus der Nachbarschaft
Normalerweise wird Speck aus dem Schweinebauch hergestellt. Goderlspeck oder der italienische Guanciale jedoch aus der Schweinebacke (auch Nacken oder “Doppelkinn”). Im Gegensatz zum heimischen Goderlspeck ist der Guanciale normalerweise nicht geräuchert sondern nur luftgetrocknet.
Mir hat die römische Mutter einer Verflossenen das sehr ähnlich, aber mit einer kleinen Abweichung gelernt:
Der Speck kommt nach dem Auslassen raus aus der Pfanne. Die Spaghetti werden ca 1-2 Minuten vor al dente mit der Zange aus dem Kochwasser genommen und direkt tropfnass in das Fett / die Pfanne gegeben. Dann wird der ausgelassene Speck und etwas Nudelwasser zugegeben und die Nudeln in der Fett-Wasser Emulsion al dente gezogen. Feuer aus, etwas abkühlen lassen, und dann die Käse-Eier Pampe rein (in der sich auch etwas Muskatnuss verirrt hatte). Mangels Gunaciale hat sie auch immer auf Pancetta zurückgegriffen.
Ist eigentlich der Zubereitung von Cacio Pepe sehr ähnlich, m.E. ist die Carbonara auch eine Weiterentwicklung dieses noch puristischeren Gerichts.
Danke für die tolle Website!