Windschiefe Hütten mit göttlichem Essen
Wenn man die tropische Insel an der Südspitze Indiens mit dem Motorrad erkunden möchte, dann ist man gut beraten, die überfüllten Hauptstraßen zu meiden.
Mithilfe eines guten Navis mit Fahrradoption kann man eintauchen in ein Labyrinth aus kleinen Nebenstraßen, Waldwegen, schmalen Pfaden auf Dämmen zwischen Reisfeldern, Dschungelpisten und grotesk verschlungenen Bergstraßen im Miniformat. Ohne Navi hätte man allerdings keine Chance, den Weg in diesem dichten und verworrenen Irrgarten zu finden. Und mehr als 20 Kilometer in der Stunde sind kaum zu schaffen. Aber genau um diese genussvolle Langsamkeit geht es dabei.
Es ist ein tiefes Eintauchen in ein paradiesisches “Hinterland”, das der uralten Vorstellung vom Garten Eden und dem Traum der “idealen Landschaft” verdammt nahe kommt: üppiges Tropengrün, unberührter Dschungel, blühende Gärten mit reifen Früchten, Pagoden, Reisfelder und kunstvoll angelegte Teeplantagen an steilen Berghängen; dazwischen überall Wasser – mäandernde Flüsse, Wasserfälle, Seen und riesige Lagunenlabyrinthe.
Und überall sieht man Wildtiere, wie Pfaue, Reiher, Störche, Adler, Flughunde, Affen, Warane, blinkende Glühwürmchen in der Nacht und sogar Elefanten. Auf die sollte man ein bisschen aufpassen, wenn man mit dem Motorrad unterwegs ist, damit es nicht zu allzu nahen Begegnungen kommt; wenn sie schlecht aufgelegt sind, kann man durchaus zu Brei getrampelt werden. In einem Auto ist man sicherer. In die äußerst zahlreichen Nationalparks und Schutzgebiete darf man ohnehin nur mit Geländewagen und Chauffeur.
Mitunter kommt man weit weg vom Tourismus und bekommt Gelegenheit, die völlig unverfälschten Alltagsgerichte der Einheimischen zu essen.
Je einfacher die Bude, desto besser ist das Essen
Am besten ist das Essen in den einfachen Garküchen, die man überall am Straßenrand findet und die vorwiegend in windschiefen Hütten oder einfach unter einer Plastikplane untergebracht sind, wo mitunter ein altes Ölfass mit Holzkohle und ein Stück Blech als Herd dienen. Und wieder einmal konnten wir ein Phänomen beobachten, das wir auch aus anderen Ländern kennen – nirgends aber so ausgeprägt wie in Sri Lanka: Je einfacher die Bude, desto besser ist das Essen! Die Vegetable-Roti waren nirgends so gut, wie frisch vom patinierten Blech über dem rauchenden Ölfass.
Die Gerichte dieser Garküchen sind reinblütige Vertreter einer cucina povera, einer “Armeleuteküche”, deren Qualität nicht in der Verwendung besonderer Zutaten besteht, sondern in der handwerklichen Exzellenz, die aus einfachsten Zutaten Köstlichkeiten zaubern kann. Reis, Weizenmehl, Linsen, Kokosnuss, Zwiebel, ein paar Gewürze und Gemüse – viel mehr braucht es nicht.
Das Angebot ist fast überall gleich, die Unterschiede liegen in kochtechnischen Details, die durch jahrelange – oft generationsübergreifende – Übung in der Alltagspraxis herausgebildet werden. Zum Beispiel frisches Fladenbrot mit so perfekter Konsistenz, wie man sie nur äußerst selten findet. Oder Currys, die gerade durch ihre Einfachheit bestechen und eben nicht “verfeinert” sind. “Einfachheit” ist überhaupt das Schlüsselwort dieser preiswerten Küche, bei der es darum geht, mit den billigsten Mitteln das Bestmögliche zu machen – durch Hingabe, genaue Beobachtung und tausendmal wiederholter Übung.
Es sind nur wenige Speiseformate, die bei Sri Lankas Straßenküchen angeboten werden, aber jedes Format gibt es in unzähligen Varianten. Die meisten sind vegetarisch. Zum ersten mal ist uns Fleisch wochenlang überhaupt nicht abgegangen!
Hier ist eine Übersicht über die Speiseformate der Straßenküchen Sri Lankas:
Roti
Dünne Fladenbrote aus Weizenmehl – oft auch gemischt mit frisch geraspelter Kokosnuss, dann heißen sie Pol Roti. Sie werden auf einer heißen Platte gebacken und entweder pur als Fladenbrot zu Currys gegessen, oder mit verschiedenen Füllungen in unterschiedlichsten Formen zu kleinen Packerln gefaltet. Die Füllungen bestehen meist aus Gemüse, aber auch Huhn und Fisch werden verwendet.
Gefüllte Roti sind das klassische Snack-Format der Insel – meist zwischendurch gegessen, zum Beispiel mit einer Tasse Schwarztee mit etwas frischem Ingwer drinnen. Sie sind auch als Reiseproviant haltbar, aber am besten sind sie frisch und heiß.
Pol Roti mit fleischlosem Hühnercurrysaft – ein karges aber köstliches Mittagessen. Komfort und westliche Hygienestandards darf man sich in den Straßenbuden nicht erwarten.
Kottu
Um Kottu herzustellen, wird das dünne Fladenbrot der Roti mit 2 Spachteln in kleine Stücke zerhackt und mit allen möglichen Zutaten und Gewürzen angebraten, gleichsam als Altbrotverwertung.
Kottu ist der signature dish der Straßenküchen-Szene Sri Lankas. Als typisches Armeleuteessen ist es reichhaltig, würzig, enorm variantenreich und meistens ausgesprochen köstlich.
Rice & Curry
In fast allen Garküchen werden zu Mittag verschiedene Currys bereitet, die bis in den Nachmittag hinein warm gehalten werden. Sie sind eine Basisverpflegung für die Menschen in der Nachbarschaft, die dort um sehr wenig Geld ihr Essen als takeaway abholen. Das Konzept ist überall gleich: Ein Haufen Reis oder frische Fladenbrote, dazu zwei, drei kleine Schüsselchen mit ziemlich flüssigen Currys zum Tunken. Und diese Currys gehören zu den besten, die wir je gegessen haben!
Dhal Curry oder Parippu – ein Brei aus Linsen und Kokosnuss ist die wichtigste und unverzichtbare Zutat der ceylonesischen Küche und wird auch schon zum Frühstück gegessen. Die typischen Gewürze sind Zimt, Kurkuma und das Curryblatt (Bergera koenigii), das überall reichlichst auf veritablen Bäumen wächst.
Kurkuma und Kokos kommen bei fast allen Gerichten zum Einsatz – hier bei einem besonders köstlichen Gurkencurry.
Ein weit verbreitetes Gemüse ist die große und stachelige Jackfruit, die in ihrer schichtartigen Konsistenz an Fleisch erinnert.
Currys werden aus allen erdenkabaren Zutaten gemacht: Rote Rüben, Kürbis, Gurke, Karfiol, Kartoffel, Hülsenfrüchte, Melanzani, Jackfruit, Ananas, Fisch, Huhn, Meeresfrüchte, und so weiter.
Die Rezept für das beste Kürbiscurry, das wir je gegessen haben, ist verblüffend einfach:
Kürbisstücke mit gehacktem Zwiebel, Knoblauch, frischem Paprika und grünem Chili in (dünner) Kokosmilch köcheln, bis sie weich sind. Gewürzt wird mit Salz, Pfeffer, Kurkuma und Zucker. Am Schluss kommt etwas (dickere) “Kokossahne” dazu – fertig!
Hoppers
Schüsselförmig gebackene Pfannkuchen aus Reisteig. Hoppers werden schon zum Frühstück mit Ei gegessen (Egg Hoppers). Unverzichtbare Zutaten sind Dhal (Parippu) und Kokos Sambol (Pol sambol) – das sind frisch geraspelte Kokosnüsse mit Zwiebel, Chili und Limette, oft sehr scharf.
String Hoppers
Nudelförmig gepresster und dann gedämpfter Reisteig, wie kleine Nester aus hauchdünnen Nudeln.
Auch Stringhoppers sind ein Frühstücksklassiker, der unbedingt mit scharfem Kokos Sambol und Dhal, oder einem anderen Curry gegessen wird (hier ist es ein Kartoffelcurry).
Für String Hoppers benötigt man spezielle Werkzeuge, die in keinem Haushalt fehlen: Eine hölzerne Presse mit kleinen Löchern, durch die der Reisteig durchgedrückt wird – hinein in kleine Bambuskörbchen, die jeweils ein Nudelnest enthalten und über heißem Dampf gestapelt werden.
Besonders köstlich sind gefüllte String Hoppers. Hier mit frisch geraspelter Kokosnuss und Palmhonig. Erinnert an süße und saftige Teigtascherl.
Fruit Pickles – frisches Obst mit Chili
Knackige Stücke von nicht ganz reifem Obst, wie Mango, Ananas und Papaya. Mit Salz, Zucker und Chili mariniert – oft auch zusätzlich mit schwarzem Pfeffer und Essig.
Mee Kiri – köstlicher Büffeljoghurt mit Palmzuckersirup
Besonders im Süden der Insel wimmelt es von großen Wasserbüffel-Herden, aus deren fetter Milch ein ganz besonders köstlicher Joghurt namens Mee Kiri hergestellt wird. Und zwar nach wie vor in archaischen, dickwandigen Terracotta-Schalen, die man übereinander stapeln kann.
Dazu isst man süßen “Palmhonig” (Kithul Treacle), den konzentrierten Saft der Zuckerpalme.
Senior- und Juniorchef einer Mee Kiri-Manufaktur an der Südküste Sri Lankas.