Seit einiger Zeit arbeiten wir an unserer “Kommandosache Marokko”. Begonnen hat es im Herbst 2019 mit einer fünfwöchigen Forschungsreise in Sachen Kochkultur, um die “Kochsprachen” der Berber verstehen zu lernen, ihre “Grammatik” in Form von Kochtechniken und ihre “Vokabel” in Form von Zutaten. Nicht nur wie, sondern auch warum so gekocht wird, wollten wir verstehen.
Seither experimentieren und testen wir viel in der heimischen Küche – wobei es uns weniger darum geht, authentische Gerichte exakt nachzukochen. Vielmehr wollen wir die “Kochsprache” benutzen um eigene Rezepte zu definieren, allerdings ohne dabei in die Beliebigkeit abzurutschen. Es geht uns um einfachste Gerichte, die auf das Wesentliche reduziert sind und die unserer Meinung nach besonders köstlich sind.
Hier ist eines davon.
Ob es diesen Karottensalat irgendwo in Marokko genau so gibt, wissen wir nicht – es könnte aber durchaus sein.
Solche Gemüsesalate werden als kleine Vorspeisen gegessen, meist mehrere verschiedene gleichzeitig. Besonders gut passen sie auch zu den gegrillten Lammbratwürsteln Merguez.
Ein Hauptmerkmal der marokkanischen Kochkultur ist eine tabulose Verwendung von süßen Zutaten, auch jenseits von sogenannten “Süßspeisen”, wie wir sie eigentlich nur in Zusammenhang mit Desserts kennen.
Süße Tabus?
Für viele ist das irritierend, weil es in vielen europäischen Kochkuturen irgendwie ein unausgesprochenes Tabu für Süßes gibt, sofern es sich nicht um deklarierte Nachspeisen, Frühstücke oder Kaffeejausen handelt. In unserer Kultur ist das Süße weitgehend in eine gesonderte Speisenkategorie verbannt worden, wobei es natürlich auch Ausnahmen, wie den Wiener Erdapfelsalat gibt (aber auch der ist schon 200 km weiter westlich oder südlich umstritten).
Die Ursachen für diese Abtrennung sind nicht ganz klar und ein äußerst interessantes Thema. Denn historisch gesehen ist es nicht so lange her, dass auch bei uns zuckersüße Fleischgerichte ein Inbegriff des Begehrenswerten waren. Vermutlich hat man’s übertrieben wegen des Prestige-Effekts, denn süß war sauteuer; etwa so wie heute die furchtbare Übertreibung mit den Klimaanlagen in heißen Ländern – und dann, als der Zucker billig wurde, hat man die Übertreibung bemerkt und es kam zur Gegenbewegung. Das Süßen wurde unlauter. Wir werden darauf sicher noch zurückkommen!
Es ist aber nicht der Zucker, der in den marokkanischen Küchen eine Hauptrolle spielt, sondern süße Trockenfrüchte, wie Rosinen, Marillen und Datteln, die für Schmorgerichte, Pasteten oder Salate verwendet werden. Ein gekonnter Umgang mit diesen süßen Elementen im Zusammenspiel mit salzig, sauer und scharf kann das Geschmacksspektrum enorm erweitern. Übertreiben darf man’s halt nicht.
Bei unserem kleinen Salat verwenden wir Datteln, weil sie aromatisch wunderbar mit der Karotte harmonieren.
Die Karotten werden nicht gekocht, sondern kurz sautiert und in der eigenen Feuchtigkeit gedämpft – nicht länger als 2 Minuten, damit sie knackig bleiben.
Zutaten für ca. 4 Portionen:
- 350 g Karotten
- 50 g Datteln
- 1 Zitrone
- 1 Handvoll Petersil
- 1 knapper TL Kreuzkümmel
- 1 Prise Zimt
- 1 TL Zucker
- Salz
- Olivenöl
Zubereitung:
- Karotten schälen und in 1 mm dünne Scheibchen schneiden
- Datteln entkernen und fein hacken
- Petersil abzupfen und grob hacken
- Olivenöl in der Pfanne erhitzen, Karotten dazugeben, salzen und 1 TL Zucker zugeben. 1 min scharf anbraten
- dann Hitze zurückdrehen, Deckel aufsetzen (möglichst dicht) und 2 min in der eigenen Feuchtigkeit dünsten lassen
- 1 Prise Zimt und den frisch gemörserten Kreuzkümmel sowie die Datteln untermischen und vom Feuer nehmen
- mit Zitronensaft und eventuell Salz abschmecken
- Petersil und Olivenöl untermischen
Schmeckt wunderbar, vielen Dank!