Der König der Gewürze
Neben Salz ist Pfeffer offensichtlich das einzige Gewürz, auf das man nicht verzichten kann. Selbst Kochpuristen, denen es um den unverfälschten Eigengeschmack der Zutaten geht, verwenden gerne die Formulierung “nur mit Salz und Pfeffer gewürzt” als Metapher für eine reine, aromatisch unverfälschte Küche.
Warum gerade Pfeffer? – Natürlich weil er scharf ist!
Schärfe ist kein Geschmack im eigentlichen Sinn sondern das Empfinden von Schmerz, auch wenn dieser bei geringer Dosierung unter der bewussten Wahrnehmungsgrenze liegt. Es geht dabei um ein Phänomen der Genuss-Erweiterung: Das Ess-Erlebnis, das normalerweise über Geschmacks-, Geruchs- und Tastsinn wahrgenommen wird, wird um eine weitere Sinneswahrnehmung erweitert – das Fühlen von Schmerz!
Angewandter Masochismus: Man merkt, dass man lebt, wenn die Pappn brennt!
So gesehen ist scharfes Essen angewandter Masochismus: die Empfindung und Überwindung von Schmerzen als Lustgefühl. Die Psychologie hat dafür eine Erklärung: Es ist eine starke Daseins-Bestätigung, ein “sich selbst in der Welt Spüren”. Oder einfacher ausgedrückt: Man merkt, dass man lebt, wenn die Pappn brennt!
Noch wesentlich effektiver in dieser Hinsicht ist Chili, der ja auch als “Pfeffer” bezeichnet wird (Pfefferschoten, roter Pfeffer, Cayennepfeffer, Pfefferoni). Ursprünglich wurde der Begriff vermutlich für alles verwendet, was scharf war. Oder überhaupt als Synonym für alle exotischen Gewürze.
Abwehrstrategien gegen Fressfeinde als Intensivierung des Genusses
Bei allen scharfen Gewürzen handelt es sich um Abwehrstrategien der jeweiligen Pflanzen gegen Fressfeinde. Sie täuschen eine Verbrennung vor, indem spezielle Inhaltsstoffe die dafür zuständigen Nervenenden reizen (die Alkaloide Piperin beim Pfeffer und Capsaicin beim Chili). Jedes Tier wird sich die schmerzhafte Erfahrung merken und die betreffenden Früchte ein Leben lang meiden. – Der Mensch aber war schlau genug, diesen Trick zu durchschauen und ihn für seine Zwecke zu nutzen – für eine Intensivierung des Genusses!
Eine der ältesten Kulturpflanzen der Menschheit
Es ist eines der vielen Rätsel der Ernährungsgeschichte, wie Menschen darauf kamen, diese Pflanzenteile als Nahrungsquelle zu nutzen. Chili (Capsicum) wurde in Südamerika vermutlich schon vor 10.000 Jahren gegessen und vor fast 5000 Jahren in Mexiko kultiviert. Er ist damit eine der ältesten Kulturpflanzen der Menschheit.
Auch der echte, schwarze Pfeffer (Piper nigrum) wird seit mindestens 4000 Jahren als Genussmittel geschätzt. Er stammt ursprünglich als Wildpflanze aus den Bergwäldern der Western Ghats an der südindischen Malabar-Küste, wo er sich als Schlingpflanze an den Stämmen von tropischen Bäumen hoch rankt und zweimal im Jahr geerntet wird.
Pfeffer und Zucker – die frühesten Produkte des Fernhandels
Der indische Pfeffer war eines der ersten Produkte, die über Kontinente hinweg gehandelt wurden; wie auch der Zucker, der ebenfalls aus Indien stammt. Nur Salz wurde schon früher über relativ weite Distanzen gehandelt. Schon in der Antike bestanden regelmäßige Handelsbeziehungen zwischen dem römischen Imperium und den südindischen Küsten. Pfeffer und Zucker waren in Europa heiß begehrt und sauteuer. Zweitweise erreichte ihr Preis den Wert von Silber oder gar Gold und das sollte für Jahrhunderte so bleiben.
Warum aber waren die Menschen in Europa damals bereit, derartig viel für etwas zu bezahlen, was heute ganz alltäglich ist? – Vermutlich weil es so selten war: so wie Süßes, war auch Scharfes ein Ausnahmeerlebnis. Zwar gab es auch in Europa scharfe Lebensmittel wie Senf und Kren (Meerrettich), doch ist deren Wirkungsweise anders als bei Pfeffer und Chili, indem sie vor allem die Nasenschleimhäute reizt. Auch Ingwer wurde wegen seiner Schärfe ebenfalls aus Indien importiert. Die exotischen Gewürze wurden wegen ihrer Intensität sicher auch eingesetzt, um unangenehme Aromen von Speisen zu überdecken, die eigentlich schon grenzwertig waren.
Nicht so sehr glauben wir an die Theorie, dass sie vor Allem zur Konservierung von Nahrungsmitteln begehrt waren, denn dafür waren sie viel zu teuer. Ausserdem sind dabei Salz, Rauch oder Essig viel effektiver.
Aber es ging nicht nur um die “Verbesserung” von Essen, denn die importierten Gewürze spielten auch eine wichtige Rolle als Heilmittel und zur Vorbeugung von Krankheiten.
Das Verlangen nach scharfen Gewürzen und Zucker veränderte den gesamten Planeten, wie kaum ein Ereignis zuvor
Im Grunde war das Verlangen nach scharfen Gewürzen und Zucker in Europa derartig groß, dass es die Weltgeschichte fundamental bestimmen sollte: Es war der Anlass für die Entdeckungsfahrten von Columbus, Vasco da Gama und hunderte Anderen, es begründete den europäischen Kolonialismus und Kapitalismus und war der Anlass für viele Kriege. Kurz – es veränderte den gesamten Planeten, wie kaum ein Ereignis zuvor. Und alles für einen erhöhten Genuss beim Essen!
Auch heute noch ist die indische Malabar-Küste eines der Hauptanbaugebiete von Pfeffer. Der größte Produzent ist allerdings Vietnam, gefolgt von Indonesien. Eine besonders edle Qualität kommt aus der kambodschanischen Provinz Kampot.
In Europa ist es nicht leicht, unterschiedliche und sortenreine Pfefferqualitäten kennenzulernen. Unterschieden wird im Wesentlichen nur zwischen schwarz und weiß. Doch gibt es vereinzelt Einkaufsquellen, die ein differenziertes Sortiment anbieten.
Unser Tipp für Wien: Meinl am Graben und die Wein- und Gewürzhandlung Sussitz beim Karmelitermarkt (die führen auch ein Geschäft in Klagenfurt).
4 verschiedene Typen aus einer Beere
Aus ein und derselben Beere des Piper nigrum werden 4 verschiedene Typen produziert:
- Grüner Pfeffer – frische, unreife, völlig unverarbeitete Pfefferbeeren, die leider nicht haltbar sind. Grundlage für Pfeffersaucen. Bekommt man fallweise in asiatischen Läden. Eingelegter oder gefriergetrockneter grüner Pfeffer existiert zwar am Markt, ist aber kein adäquater Ersatz für das frische Produkt.
- Schwarzer Pfeffer – ebenfalls unreif (grün) geerntet, an der Luft getrocknet und dabei fermentiert. Bei weitem die häufigste Verarbeitungsform.
- Roter Pfeffer – die vollreifen, roten Pfefferbeeren werden ohne Fermentation getrocknet. Eine sehr seltene und teure Spezialität, nicht zu verwechseln mit den rosa Beeren aus Südamerika, die mit Pfeffer nichts zu tun haben.
- Weißer Pfeffer – ebenfalls reife Beeren, die nach der Ernte gewässert werden, bis das Fruchtfleisch abfällt und nur der Same überbleibt, der dann ohne Fermentation getrocknet wird – er schmeckt schärfer als der Schwarze und ist leicht süßlich.
Unbedingt frisch mahlen
Wie alle Samengewürze gehört Pfeffer unbedingt frisch gemahlen, da er sonst an Aromen und ätherischen Ölen verliert und dann nur mehr ein Schatten seiner selbst ist. Für viele Zwecke sollte er eher grob geschrotet sein und nicht allzu fein gemahlen, damit man ihn beim Essen auch haptisch spürt: kleine, pfeffrige Aromaspitzen, die aufblitzen wenn man darauf beisst, sind ein spannendes Erlebnis! Generell werden die meisten Speisen erst ganz am Schluss gepfeffert um die gesamte Aromen-Komplexität zu erhalten, doch gibt es auch Ausnahmen: bei vielen indischen und chinesischen Gerichten kommt es auch vor, dass Pfeffer von Anfang an mitgekocht wird. Für Suppen und Ragouts werden häufig ganze Pfefferkörner mitgekocht.
Hoch wirksame pharmazeutische Effekte
Wie bei fast allen Gewürzen geht es auch beim Pfeffer nicht nur um Genusserhöhung sondern auch um hoch wirksame pharmazeutische Effekte: Er hilft gegen Verdauungsbeschwerden und Völlegefühl. Außerdem hat er laut Professor Bharat Aggarwal von der University of Texas eine tumor- und krebsbekämpfende Wirkung, besonders in Verbindung mit Kurkuma; er wirkt blutdrucksenkend und reduziert den oxidativen Zellstress bei fettreicher Ernährung und vermindert somit das Herzerkrankungsrisiko. Abgesehen davon fördert Pfeffer auch die Gehirnleistung, hilft gegen Alzheimer und hat eine antidepressive Wirkung; auch bei Schilddrüsenüberfunktion wird Pfeffer traditionell eingesetzt.
Was noch als Pfeffer bezeichnet wird:
- Langer Pfeffer (Piper longum) – eng verwandt mit Piper nigrum. War in der europäischen Antike mehr verbreitet als der Schwarze Pfeffer und wurde erst im 17. Jahrhundert von diesem mehr und mehr verdrängt. Langer Pfeffer ist in seinen Eigenschaften dem Schwarzen Pfeffer sehr ähnlich.
- Kubeben-Pfeffer (Piper cubeba) – Auch Stangenpfeffer genannt. Verwandt mit Piper nigrum aber weniger scharf mit einem Aroma, das an Terpentin und Eukalyptus erinnert. Wird heute noch in indonesischen Küchen und für die nordafrikanische Gewürzmischung Ras el-Hanout verwendet. War auch ein Bestandteil für Lebkuchen-Gewürz (Pfefferkuchen). Auch Kubebenpfeffer war bis ins 17. Jahrhundert in Europa gebräuchlicher als Schwarzer Pfeffer.
- Sichuan Pfeffer (Zanthoxylum piperitum) – wird auch Bergpfeffer, chinesischer Pfeffer oder japanischer Pfeffer (Sansho) genannt. Ist mit echtem Pfeffer gar nicht, jedoch mit den Zitruspflanzen verwandt. Verwendet werden die getrockneten Hüllen der Samenkapseln. Sichuanpfeffer ist jedoch nicht scharf im Sinne von Schmerzerzeugung, sondern wirkt vielmehr betäubend – ganz ähnlich, wie wenn man mit der Zunge beide Pole einer Batterie berührt. Aromatisch spürt man die Verwandtschaft zu den Zitrusgewächsen heraus.
- Cayennepfeffer (Capsicum annuum, var. cayenne) – getrocknete und fein gemahlene Chilis der Sorte “Cayenne”. Extrem scharf!
- Rosa Pfefferbeeren (Schinus terebinthifolia, Schinus molle) – hat nichts mit Pfeffer zu tun, stammt aus Südamerika vom brasilianischen oder peruanischen Pfefferbaum und ist kaum scharf. Wird hauptsächlich aus optischen Gründen in Pfeffermischungen verwendet.
- Guinea-Pfeffer, Paradieskörner (Aframomum melegueta) – getrocknete Samen eines Ingwergewächses aus Westafrika. Im europäischen Mittelalter als relativ billiger Ersatz für echten Pfeffer, heute vor Allem in der marokkanischen Küche eingesetzt. Paradieskörner werden auch im Gin der Marke Bombay Sapphire verwendet.
- Wasserpfeffer (Persicaria hydropiper) – ein Knöterichgewächs, das in ganz Eurasien heimisch ist. Wurde in der Bronzezeit als scharfes Gewürz verwendet. Das weiß man aus zahlreichen Samenfunden bei Ausgrabungen. Auch später wurde es als Pfefferersatz eingesetzt, vor allem in Notzeiten. Die Blätter finden heute noch in der Japanischen Küche Verwendung.
ein Beitrag von Hans Beckers auf Facebook:
Sansho
auch: Japanischer Bergpfeffer, Fagara, Blütenpfeffer, Zantoxhylum piperitum
Beschreibung:
Sansho, der japanische Bergpfeffer, ist ein naher Verwandter des in China kultivierten und gerbräuchlichen Szechuan Pfeffers. Er wird im Frühjahr in den Bergregionen Japans wild gesammelt.
Sansho besitzt ein atemberaubendes Aroma. Nach dem zerkleinern verströmen die kleinen Früchte einen intensiven, reinen Zitrusgeruch. Er betäubt die Zunge nach kurzer Zeit. Sansho wird in Japan meißt als Tischwürze verwendet und ist Bestandteil der japanischen Sieben-Gewürze-Mischung Shichimi Togarashi.
In Japan wird Sansho gerne zum Würzen von fettigem Fisch und Fleisch benutzt, da dessen reines Zitrusaroma die schweren und tranigen Gerüche des Fettes kompensiert. Daneben passt er sehr gut zu asiatischen Nudelsuppen, Eintopfgerichten, rohem Fisch und sommerlichen Desserts, wie Sorbets und Fruchtschäumen.
Verwendung:
Verwenden Sie Sansho mengenmäßig zurückhaltend. Erst gegen Ende der Zubereitung zugeben.
Bekannte Gerichte:
Yakitori, Unagi
Aroma/Geschmack:
klares, zitroniges Aroma mit leicht betäubender Schärfe
Harmoniert mit:
Ingwer, Knoblauch, Sesam, Mohn, Chili, Alge, Minze