Die erstmalige Domestizierung des Schweins liegt mehr als 10.000 Jahre zurück und fand nicht nur an einem Ort statt.
Sicher ist, dass es mindestens zwei Ursprünge gab: den legendären “Fruchtbaren Halbmond” im Nahen Osten einerseits, und das südliche China andererseits. Ob die Zähmung des Wildschweins auch anderswo “erfunden” wurde, ist bis heute umstritten.
Durch die Jahrtausende wurden die Tiere im Freien gehalten, vor allem in Wäldern, wo sie ihr Futter wie Eicheln, Kastanien, Bucheckern und Beeren selbst fanden. Zusätzlich waren sie optimale Verwerter von Küchenabfällen. Diese Form der Haltung sicherte den Menschen die nahezu kostenfreie Versorgung mit Schweinefleisch, da kein Futter beschafft werden musste. Die symbolische Bedeutung des “Sparschweins” geht vermutlich auf diese Tatsache zurück.

Lechon baboy – perfekt gebratenes Spanferkel bei einfachen Bergbauern auf der Insel Negros / Philippinen
Die ursprünglichen Verbreitungsgebiete im Vorderen Orient wurden schon in vorchristlicher Zeit immer weniger für die Schweinezucht geeignet. Eine zunehmende Abholzung der Wälder und klimatische Veränderungen brachten die natürlichen Nahrungsquellen der Tiere zum Versiegen.
Schweinezucht wurde zum Luxus. Schafe und Ziegen kamen viel besser mit dem trockenen Klima zurecht. Bis heute findet diese historische Veränderung Ausdruck im Schweinefleisch-Tabu bei Judentum und Islam.
Weiter westlich, im damals dicht bewaldeten Europa, wurde das Schwein jedoch zum wichtigsten Fleisch- und Fettlieferanten. Techniken der Haltbarmachung, wie Räuchern und Einsalzen, wurden immer weiter verfeinert. Speck, Rauchfleisch, Würste und Schinken waren schon in keltischer Zeit weit verbreitete Handelsgüter.

Schweinehirt und Schweineherde während der Eichelmast, Stundenbuch des Herzogs von Berry, 15. Jhdt. (Wikimedia)
Vor allem im Herbst, wenn die reifen Eicheln zu Boden fielen, wurden die Tiere in die Wälder getrieben, um sich quasi selbst zu mästen. Zu Beginn des Winters wurde dann geschlachtet und verarbeitet.
Ein letzter Rest dieser Kultur findet sich noch heute beim spanischen Iberico-Schinken (Jamón Ibérico de Bellota).
Schweinebauch war das begehrteste Stück
Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein war das Wichtigste am Schweinefleisch sein hoher Fettanteil; nicht nur, weil das die energiereichste Nahrung ist, sondern auch weil Fett der eigentliche Geschmacksträger ist. So gesehen war der Schweinebauch immer das begehrteste, weil aromatischste Stück.
die europäische Fett-Phobie
Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, mit der aufkommenden Fett-Phobie, änderte sich das in Europa, und Schweinefleisch wurde fast fettfrei angeboten: trockene Karrees, Lungenbraten und aufgewässerte Magerschinken.
Bei Bratenstücken wie dem Schopfbraten wurde die fette Deckschicht restlos wegrasiert – Kenner wissen, dass das eine Todsünde ist, denn das verhindert die Aromenentfaltung und lässt das Fleisch zäh und trocken geraten. Quasi als Ausgleich wurde mit viel Flüssigkeit aufgegossen und das Ergebnis war ein ausgekochtes, trockenes Fiasko, schwimmend im wässrigen Bratensaft.
für die chinesische Kultur hat ein steinerner Schweinebauch eine ähnlich hohe Bedeutung wie die Mona Lisa für Europa
In der zweiten Hochburg der Schweinefleisch-Kultur – in Ostasien – war das nicht der Fall. In China, Taiwan, Japan, Korea und auf den Philippinen gilt auch heute noch der Schweinebauch als begehrteste und oft auch teuerste Fleischsorte.
Welchen Stellenwert der Schweinebauch in der chinesischen Kultur hat, verdeutlicht ein Exponat im National Palace Museum in Taipei: der “Meat shaped Stone” aus der Qing Dynastie (1644-1911) ist ein Stein (Achat und Jaspis) in der verblüffend realistischen Form eines saftigen Stücks Schweinebauch.
Eigentlich handelt es sich um ein natürliches Readymade im Sinne von Marcel Duchamp – ein Fundstück, denn außer dem Sockel wurde kaum etwas an dem Objekt bearbeitet.
Das Museum, das die weltweit größte Sammlung chinesischer Kunstwerke beherbergt, die die 8.000-jährige Kulturgeschichte Chinas umspannt, ist für Ostasien vergleichbar wichtig wie der Louvre für Europa. Die meisten Exponate stammen ursprünglich aus kaiserlichen Sammlungen der Verbotenen Stadt in Peking.
Und dieses Objekt wird in einer eigenen Halle ausgestellt; gemeinsam mit einem Chinakohl aus Jade ist es das wichtigste Exponat des Museums. Man könnte behaupten, dass es für die chinesische Kultur eine ähnlich hohe Bedeutung hat, wie die Mona Lisa für Europa.
Hände weg vom Billigfleisch!
Für alle Fleischsorten gilt, dass billige Produkte aus der industriellen Massenproduktion durchwegs eine schlechte Qualität haben. Aber für Schweinebauch gilt das ganz besonders.
Mit dem billigen Trumm aus dem Supermarkt gelingt gar nichts: trotz stundenlangem Garen wird das Fleisch nicht zart, sondern tendiert zum Zerfallen und bleibt trotzdem trocken und fasrig. Der Qualitätsunterschied zu einem Tier aus echter Freilandhaltung könnte größer nicht sein.
Der Preisunterschied ist natürlich erheblich, aber Schweinebauch ist ja nicht etwas, das täglich gegessen wird.
Abgesehen davon sind es vermutlich die Schweine, die von allen Nutztieren am meisten leiden, wenn sie dicht gedrängt auf Spaltböden in der Halle leben müssen. Der Wahnsinn dieser Fleischindustrie zeigt sich auch im völlig verantwortungslosen Gebrauch von Antibiotika und in der Schädigung des Grundwassers durch die anfallende Gülle.
Deshalb Hände weg vom Billigfleisch!
die erste Kommandosache der Kochgenossen
Die “Kommandosache Schweinebauch” war übrigens die erste “Kommandosache” der Kochgenossen, die schon im Jahr 2015 gestartet wurde. Initiator war unser Gründungsmitglied Friedrich “Rumpo” Rumpelhuber, der sich intensiv mit der Materie befasst hatte und viele Kochtechniken aus unterschiedlichen Kulturen ausgetestet hatte. Leider verstarb unser geliebter Rumpo 2017 und das Projekt kam für einige Zeit zum Stillstand. Es hat dann ein paar Jahre gedauert, bis immer mehr “Forschungsarbeit” von anderen Kochgenossen dazu führte, das Thema wieder aufzugreifen.
Hier sind ein paar Ergebnisse:
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Rot geschmorter Schweinebauch (Hong Shao Rou) nach Rumpo Rumpelhuber
Dieses Gericht aus der Provinz Hunan war das erklärte Lieblingsessen des Vorsitzenden Mao Tsetung, der seine mentale und körperliche Leistungsfähigkeit auf den reichlichen Genuss dieser Speise zurückführte. Dass er sich an köstlichem Essen delektierte, während Millionen verhungerten, ist eine andere Sache. Erst vor Kurzem hat die Provinzregierung von Hunan ein offizielles Rezept für den roten Schweinebauch veröffentlicht und gleichzeitig ein Verbot für Restaurants erlassen, dieses Gericht auf die Karte zu setzen, wenn es nicht genauso zubereitet wird.
Natürlich wird dieser Schweinebauch in China mit Reis gegessen, doch im Zuge der „Kommandosache Schweinebauch“ hat sich herausgestellt, dass eine andere Beilage ganz besonders gut mit der herrlich süßen Sauce und dem zarten Fleisch harmoniert – gebratene Polenta!
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Knuspriger Kurkuma-Schweinebauch nach Andreas Aschenbrenner
Kochgenosse Andreas Aschenbrenner ist in Korea geboren und in Vietnam, Indonesien, Indien und Oberösterreich aufgewachsen. Die Mama ist Koreanerin und sein Beruf ist Koch: Mama Liu & Sons, Karma Ramen und Mercado waren und sind die Stationen seiner Karriere.
Für uns hat er diesen köstlichen Schweinebauch zubereitet, der sich einerseits an dem chinesischen Konzept Gan bian orentiert, aber eindeutig in Südostasien beheimatet ist, was die Gewürze betrifft: Fischsauce, frische Kurkumawurzel, Lemongrass, Kaffirlimettenblätter…
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Gegrillter Schweinebauch mit Minze & Limette nach Michael Langoth
Michael Langoth ist Fotograf, Musiker und Publizist. Inspiriert von den baskischen Txokos hat er 2016 den Verein “Kochgenossen” gegründet.
Das Rezept bezieht sich auf koreanische Kochtechniken, indem die fermentierte Soja-Chili-Paste Gochujang verwendet wird. Ingwer, Limette und Minze bilden einen frischen Kontrast zum knusprig angerösteten Fleisch.
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Der beste Kümmelbraten bei Bernd Pulker
Das bisher beste Exemplar des österreichischen Kochformats “Kümmelbraten” haben wir in der Wachau bei Bernd Pulker’s Heurigem gegessen.
Ein sehr interssanter Beitrag. Ich sammle und koche seit Jahren Schweinsi-Rezepte all over the world, darunter sind auch viele Wammerlgerichte. Als Einlage in die Ramensuppe mache ich gerne rotgeschmortes Giant Char Siu, welches wesentlich aromatischer und saftiger daherkommt, als einfach geschmortes Wammerl. Das liegt am Einrollen des Wammerls.
Für Freunde des amerikanischen BBQ empfehle ich mal Pork Belly Burnt Ends. Die Zubereitung ist etwas aufwändiger, aber die Konsitenz und der Geschmack des Wammerls ist genial.
Zum Schluss noch das geschmacksintensivste Wammerl, das ich je genießen durfte, gegart unter der Salzkruste, entwickelt von unserem bayerischen Spitzenkoch Alfons Schuhbeck. AS nennt es Krustenbraten, wobei das Ergebnis den ultimativen Schweinsi darstellt. Probiert es aus und lasst euch überzeugen.
Bei uns in Altbayern ist ein Leben ohne Schweinsi zwar möglich, aber eher kaum vorstellbar 😉