Nun ist schon die dritte Woche durch, seit wir isoliert in unseren Wohnungen sitzen – die meisten von uns allein.
Essen ist eine einsame Sache geworden; und eine unserer elementarsten Lebensfreuden, nämlich das gemeinsame Kochen und Essen im großen Kreis der urbanen Freundesfamilie, ist plötzlich unmöglich geworden. Nun ist schon die dritte Woche durch, seit wir isoliert in unseren Wohnungen sitzen – die meisten von uns allein.
Zwar halten wir zumindest unseren freitäglichen jour fixe ein, an dem wir seit Jahren gemeinsam essen, aber das machen wir getrennt – per Videokonferenz am Computer oder Smartphone. Das ist bisweilen sehr lustig, erzeugt aber auch ein irgendwie hohles und irritierendes Gefühl; denn die Sinnlichkeit ist natürlich futsch!
In unserer Welt der virtuellen Realitäten ist nichts so anti-virtuell wie das gemeinsame Kochen und Essen – es ist durch und durch tatsächlich im Hier und Jetzt gelebte, sinnliche Gemeinsamkeit, und vermutlich die älteste kulturelle Errungenschaft überhaupt. Das gemeinsam einverleibte Gericht erzeugt eine Art Synchronisierung der einzelnen Erlebnisströme, ähnlich wie das auch Tanz und gemeinsam gespielte Musik vermögen – und natürlich Sex! Es geht dabei um ein synchronisiertes, sinnliches Genießen der gelebten Tatsächlichkeit.
All das ist zur Zeit leider nicht möglich – zumindest für Singles! Selbst eine Jamsession per Videokonferenz ist aus technischen Gründen nicht möglich, da die absolute Gleichzeitigkeit nicht gegeben ist und eine Kakophonie unvermeidlich wird.
Nahsinne und Fernsinne
Unsere neuen Medien sind zwar fein – und gottseidank haben wir sie in dieser Situation – aber es wird schnell schmerzlich bewusst, was alles abgeht. Was für den Austausch von virtuellen Informationen wie Zahlen, Texten, Bildern und Videos wunderbar funktioniert, ist auf dem Gebiet des sinnlichen Genusses durch gemeinsame Rituale nur sehr bedingt anwendbar, weil ja nur Symbole vermittelt werden, die ausschließlich mit den Fernsinnen des Sehens und Hörens wahrgenommen werden – nur Zeichen, die etwas repräsentieren, nicht die Tatsachen selbst.
Es sind jedoch viel mehr unsere Nahsinne, wie Riechen, Schmecken, Spüren, Fühlen und Tasten, die für den sinnlichen Lebensgenuss ursächlich sind; viel mehr, als uns meistens bewusst ist. Durch die Fixierung unserer Aufmerksamkeit auf eine virtuelle Welt der Bilder verlieren wir ohnehin seit Langem mehr und mehr den sinnlichen Kontakt zur tatsächlichen Welt, und bemerken dabei kaum, was wir dabei alles an Lebensqualität verlieren und verlernen.
diese Diskrepanz wird durch ihre radikale Verschärfung überdeutlich spürbar
In der jetzigen Situation wird diese Diskrepanz durch ihre radikale Verschärfung überdeutlich spürbar; und vielleicht lernen wir ja daraus, was uns wirklich wichtig ist.
Der wichtigste Grund für die Gründung des Projekts “Kochgenossen” war von Anfang an der Wunsch, für uns ein Modell zu entwickeln, das sich gegen die urbane Vereinsamung, den Verlust von handwerklicher Intelligenz und Selbstbestimmung, sowie die Verarmung sinnlicher Freuden stemmt, indem wir uns quasi eine Großfamilie geschaffen haben, die regelmäßig gemeinsam kocht, isst, trinkt und das Leben feiert.
jeder kocht für sich allein
Diesen Freitag wollen wir bei unserer Videokonferenz zumindest das gleiche kochen, aber jeder kocht für sich allein – schau ma mal!
Für uns ist das eine gute Gelegenheit, um unsere Archive zu durchstöbern und die Rezepte auf ihre Tauglichkeit als “dinner for one” zu überprüfen; denn bei Weitem nicht alle Gerichte sind kochtechnisch dafür geeignet, in Kleinstmengen hergestellt zu werden und vermutlich hat man alleine eher wenig Lust, in der Küche die große Oper zu spielen – es sei denn, man kocht auf Vorrat, oder – wie auch wir – zu Forschungszwecken.
Jedenfalls haben wir eine Sammlung von Rezepten zusammengestellt, bei denen es wirklich Sinn macht, für nur eine einzige Person zu kochen
Im Alltag kochen wir jetzt meistens sehr einfach, ohne großen Aufwand. Ein bisschen kämpft man natürlich mit den viel zu groß abgepackten Mengen in den Supermärkten; kleine Fleischportionen sind dort kaum zu bekommen. Da muss man halt ein bisschen improvisieren und erfinderisch sein. Jedenfalls haben wir eine Sammlung von Rezepten zusammengestellt, bei denen es wirklich Sinn macht, für nur eine einzige Person zu kochen.
Bei den meisten Rezepten sind die Mengenangaben für 4 Personen angegeben. Aber soviel Talent zum Kopfrechnen trauen wir euch zu, um die Angaben durch 4 zu teilen.
1.) Huhn mit Fenchel und Pastis
Diese Eigenkreation der Kochgenossen ist blitzschnell zubereitet und dabei kann eigentlich nichts schiefgehen.
Ein bisschen französischer Anis-Fenchel-Likör (Pastis, Pernod, Anisette) boostet die schlichte Sauce in die Gefilde der Köstlichkeit. Zur Not tun’s auch ein paar Tropfen Raki oder Ouzo.
2.) Gebratene Gurke
Eine Kochtechnik eignet sich ganz besonders gut für die Zubereitung von Einzelportionen, nämlich der Wok! Denn in ihm werden prinzipiell nur Einzelportionen zubereitet (oder allerhöchstens zwei). In größeren Mengen funktioniert das blitzschnelle Garen der Woktechnik nämlich gar nicht. Wer keinen Wok hat, kann einfach eine Bratpfanne verwenden.
Auch dieses Rezept ist eine Eigenkreation, die auf den Kochtechniken der Mekong-Region aufbaut. Dazu braucht man eine gute Fischsauce, die man in allen Asialäden, bisweilen sogar im Supermarkt bekommt.
3.) Lamm Gottes
Wenn wir schon bei den Eigenkreationen sind, dann ist hier Nummer drei: Auch dieses Lammfleisch wird im Wok (oder in der Pfanne) mit Melanzani und Pfefferoni extrem kurz gebraten. Wichtig dabei ist frischer Koriander; und wenn da noch die Wurzeln dran sind – umso besser! In den Asialäden sollte man ihn bekommen.
4.) Shrimps mit karamellisiertem Fenchel, Speck und Thaibasilikum
Auch ein blitzschnelles Wokgericht aus der Kreativabteilung der Kochgenossen. Frisches Thaibasilikum bekommt man in den Asialäden.
5.) Gefüllte Champignons
Ein Klassiker der spanischen Tapas. Simpel, schnell und gut! Und die Zutaten bekommt man überall.
6.) Chicorée im Schinkenmantel
Endives au jambon sind typisch für die geniale Einfachheit der französischen Alltagsküche: Chicorée, Schinken und Butter – c’est tout!
7.) Ensaladilla rosa
Eine Spanienreise hat uns zu diesem kleinen Salat aus Kartoffeln, roten Rüben und frischem Lauch inspiriert.
8.) Tigerhaut-Pfefferoni
Zeit für eine Entdeckung der wahren Qualitäten von Paprika. Die überzüchteten, allzu süßen, runden Riesendinger aus dem Supermarkt gehen uns nämlich schon auf die Nerven. Spitzpaprika und Pfefferoni muss man auf Märkten oder in türkischen Läden kaufen. Die großen grünen Pfefferoni gibt es dort in mild, mittelscharf und richtig scharf. Dieses chinesische Rezept holt alle aromatischen Qualitäten aus diesem Gemüse heraus und ist in 3 Minuten fertig.
9.) Tofu mit Jungzwiebel und Sesam
Das ist die einfachste und beste Art, Tofu zu essen. Frisch und weich sollte er sein; optimal ist der sogenannte Seidentofu, der bei allen Asialäden erhältlich sein sollte. Selbst Tofu-Skeptiker sind damit zu überzeugen!
10.) Danke Lorenzo
Die ungewöhnliche Kombination von Sardelle, Rosine und Knoblauch gibt einen Eindruck von der Aromenkombination der antiken Mittelmeerkulturen. Und wenn man die Knoblauchchips perfekt hinkriegt, ist diese Speise zum Niederbrechen köstlich!
11.) Pasta al crudo
Dieses herrlich leichte Pastagericht kann blitzschnell zubereitet werden, denn alle Zutaten außer den Nudeln bleiben dabei roh.
12.) Spargelsalat mit Parmesan und Ei
Die Spargelsaison startet gerade. Hier ist unser Rezept für einen knackfrischen Salat.