Wie ich spät lernte, Reisfleisch zu lieben
von Michael Langoth
Ich mag kein Reisfleisch – eigentlich ist es sogar das einzige Gericht, das ich benennen könnte, das ich nicht mag. Denn ansonsten esse ich alles, sofern es gut gekocht ist, kenne keine Speisetabus und habe keine prinzipiellen Abneigungen gegen irgendwelche Zutaten – Ok, nehmen wir vielleicht Zitronenmelisse aus, aber damit hat sich’s auch schon.
Aber immer wenn mich jemand fragt, was ich nicht mag, dann sage ich – Reisfleisch! Es ist quasi mein einziges, über Jahrzehnte gehütetes Negativbeispiel. Und jetzt ist auch das weg!
Als Kind war mir das Reisfleisch meiner Mama zu trocken und zu pampig zugleich, verursachte ein leichtes Erstickungsgefühl und das Kauen nahm irgendwie kein Ende, es wollte nicht wirklich runter. Dazu muss man wissen, dass meine Mutter eine exzellente Köchin war und alles, was sie sonst kochte von mir heiß geliebt wurde. Für mich war klar, dass es die Speise an sich ist, die ich nicht mag, und nicht irgendwelche Fehler der Mama bei der Zubereitung.
Auf Schulskikursen und Jugendlagern war Reisfleisch sowieso ein würgender Alptraum, genau wie die Katastrophe, die man “Risipisi” nennt, jenes schreckliche Missverständnis des venezianischen Risotto-Formats namens “risi e bisi”, das damals in Österreich aus Dosenerbsen und wässrig zerkochtem Reis bestand. Weitere traumatische Begegnungen fanden in Wiener Wirtshäusern statt, wo gekochter Reis einfach mit Rindsgulasch vermischt wurde. Ich hatte also gute Gründe, es nicht zu mögen.
Ich vermied diese Speise für Jahrzehnte – prinzipiell. Bis vor einer Woche.
In der Runde der Kochgenossen wurde schon lange darüber spekuliert, wer mich von meiner Reisfleisch-Aversion befreien sollte. Vor allem Genosse Rumpo Rumpelhuber vertiefte sich in die Ausarbeitung der eigentlichen Qualitäten dieses Speisekonzepts und versprach mir, mich demnächst überzeugen zu wollen. Leider kam es nicht mehr dazu, denn unser liebster und engagiertester Kochgenosse verstarb plötzlich und überraschend zu Beginn des Jahres 2017. Es war ein furchtbarer Verlust und ein entsetzlicher Rückschlag für die Kochgenossen. Auch das Thema Reisfleisch war für mich dadurch erledigt.
Bis mich vor wenigen Wochen unsere Genossin Mäxi Tschernitz auf das Thema aufmerksam machte. Mäxi ist unsere Spezialistin für authentische steirische und wienerische Küche, mit der wir schon einige Rezeptvideos gedreht hatten. Sie schlug das Thema Reisfleisch für das nächste Video vor. Sie habe sich intensiv damit beschäftigt und wisse nun genau, welche Details ein exzellentes Reisfleisch ausmachen.
sie hat mich auf Anhieb überzeugt. Reisfleisch ist großartig, wenn es nur richtig gemacht ist
Und was soll ich sagen? – sie hat mich auf Anhieb überzeugt! Reisfleisch ist großartig, wenn es nur richtig gemacht ist – und das ist zugegebenermaßen nicht ganz einfach, denn wie bei vielen Reisgerichten kommt es auf die exakte haptisch-strukturelle Beschaffenheit an. Es darf nicht zu trocken, aber auch nicht gatschig sein. Vor allem ist Reisfleisch kein Risotto. Es hat eher eine Verwandtschaft zu orientalischen Konzepten wie Pilav oder Biryani. Deshalb wird auch Langkornreis verwendet. Vermutlich ist es durch die Osmanen über den Balkan und Ungarn nach Mitteleuropa gelangt.
Es hat sich also ausgezahlt, sich mit einer Speise zu beschäftigen, von der man glaubt, dass man sie nicht mag – oft hat man sie einfach nur in einer schlechten Zubereitung kennengelernt. Man kann sich von Kennern überzeugen lassen um fortan sein kulinarisches Spektrum zu erweitern. In Zeiten, in denen Aversionen und vermeintliche Unverträglichkeiten eifrig gesammelt und fast stolz zur Schau getragen werden, ist das ein schöner Gegenentwurf für mich. Mein Genussleben wird um ein kleines Quäntchen reicher.
Um ein Wiener Reisfleisch perfekt hinzukriegen, bedarf es etwas Erfahrung, Gespür und einer genauen Beachtung der Kochdetails. Es soll relativ locker sein, darf nicht zusammenpappen, aber auch keinesfalls trocken geraten.
Dazu gehört unbedingt ein knackiger, grüner Salat. Nicht die labbrige Supermarktware aus spanischen Glashäusern, sondern ein Grazer Krauthäuptel oder ein frischer Maikönig aus dem Garten.
Hier ist Mäxi’s Rezept:
Zutaten für ca. 8 Personen:
- 1,6 kg ausgelöste Schweineschulter ohne Schwarte (aber mit Fettanteil)
- 800 g Langkornreis
- 600 g Zwiebel
- 5 Zehen Knoblauch
- 125 g Schweineschmalz
- 1 EL Essig
- 2 TL Kümmel
- 2 EL edelsüßes Paprikapulver
- 2 EL scharfes Paprikapulver
- 250 ml kräftige Rinderbouillon
- Parmesan zum Reiben
- Salz & Pfeffer
was dazu gehört:
- Grüner Salat (am besten Grazer Krauthäuptel oder ein pflückfrischer Maikönig, das ist dann ganz etwas anderes als das schlappe Zeug aus dem Supermarkt)
- Kürbiskernöl
- Apfelessig
- Salz
Zubereitung:
- Zwiebel klein schneiden
- Knoblauch fein hacken
- Fleisch in Würfel schneiden (etwas größer als 1 Bissen, also etwa 4×4 cm). Nur grobe Bindehäute entfernen, Fett daran lassen
- Kümmel mörsern, muss nicht allzu fein werden
- Zwiebel im Schweineschmalz bei kleiner Hitze langsam anbraten, aber nicht bräunen – allenfalls ein bisschen
- je 2 gehäufte EL von süßem und scharfem Paprikapulver untermischen und ganz kurz mitbraten, dann mit 1 EL Essig ablöschen
- die Fleischwürfel untermischen und kurz anschmoren, dann mit ca. 250 ml Rinderbouillon ablöschen
- Knoblauch und Kümmel dazugeben und mit Salz und Pfeffer würzen (abschmecken – es soll schon intensiv schmecken, denn es kommt ja noch viel Reis dazu)
- zugedeckt so lange köcheln, bis das Fleisch fast weich genug ist (es wird ja später mit dem Reis noch etwas weiter gegart und sollte am Ende weich sein, aber nicht zerfallen). Das sollte etwa 30 bis 50 min dauern
- Wenn das Fleisch weich genug ist, den Reis dazugeben – plus der gleichen Menge Wasser wie Reis (die Wassermenge ist entscheidend dafür, wie saftig oder trocken das Endergebnis wird. Langkornreis braucht etwa die eineinhalbfache Menge Wasser, es wurden aber schon 250 ml Suppe dazugegeben und das Fleisch hat auch Flüssigkeit verloren. Das ist jetzt ein bisschen Gefühlssache, aber im Zweifelsfall kann das Gericht am Schluss mit etwas Bouillon korrigiert werden, falls es zu trocken gerät). Salz für die Reismenge ergänzen (1–2 TL)
- zugedeckt ca. 4 min kochen, dann noch einmal durchrühren und etwaige angelegte Stellen am Boden lösen
- zugedeckt im vorgeheizten Backrohr bei 160ºC etwa 30 min ziehen lassen, der Deckel sollte dicht schließen
- dann kosten, eventuell mit Salz abschmecken und falls es zu trocken sein sollte, mit etwas Rinderbouillon korrigieren und noch für einige Minuten im abkühlenden Rohr ziehen lassen. Falls es zu flüssig sein sollte, im Rohr ohne Deckel ausdampfen lassen
- erst auf den Tellern mit frisch geriebenem Parmesan bestreuen
- Grünen Salat mit Salz, Apfelessig und Kürbiskernöl marinieren und dazu servieren
hab soeben reisfleisch gekocht (+ gegessen) und was muss ich 5 min später sehen: ein wunderbares reisfleischrezept von den kochgenossen.—meins war aber auch gut! busserl albert
gkaufi87@gmail.com