Die wichtigste Kochzutat in der europäischen Antike
Bei den antiken Kulturen rund ums Mittelmeer gab es eine Zutat, ohne die das Kochen nicht vorstellbar war. Sie wurde für fast alle Speisen verwendet und man hatte immer einen Vorrat im Haus oder ein kleines Fläschchen davon im Gepäck, wenn man auf Reisen war: Fischsauce, eine bräunliche, klare Flüssigkeit, die die wichtigste Kochzutat für Phönizier, Griechen und Römer war. Absolut unverzichtbar!
Die Herstellung war einfach: Im Grunde wurden Fische in Salzwasser sehr langsam vergoren, oft auch nur Fischabfälle. Nach monatelanger Reifung in Tonamphoren oder offenen Bottichen konnte eine bersteinfarbene, salzige, hocharomatische Flüssigkeit abgefiltert werden. Die Römer nannten sie Garum oder auch Liquamen. Sie wurde statt Salz beim Kochen verwendet und verlieh allen Speisen eine würzige, aber nicht fischige Grundnote.
Dieser spezielle Geschmack hat heute einen Namen: Umami. Der Begriff kommt aus dem Japanischen und bedeutet auf Deutsch in etwa “herzhaft würzig, wohlschmeckend”, auf Wienerisch würde man sagen “g’schmackig”. Dieses Dialektwort verweist sehr schön darauf, was diese Geschmacksempfindung hervorruft: Ein Gruppe von Stoffen die man heute allgemein vereinfachend als Geschmacksverstärker bezeichnet! Glutaminsäuren und ihre Salze entstehen bei dem Zersetzungsprozess der Fische durch Mikroorganismen. Heute werden ähnliche Stoffe industriell erzeugt. Man findet sie überall in Fertiggerichten, im Suppenwürfel, im Maggi und in der Sojasauce.
Der fünfte Geschmack
Als Glutamat ist der Stoff in Europa ziemlich in Verruf geraten und gilt für viele als geradezu neureligiöses Speisetabu. In Asien jedoch ist man verrückt danach.
Wie man dazu auch stehen mag, jedenfalls sind diese Stoffe für unseren Körper offensichtlich lebenswichtig. Sonst hätten wir nicht eigene Geschmacksrezeptoren dafür im Mund. Neben den vier aus der Schulzeit bekannten Rezeptortypen für sauer, süß, salzig und bitter hat man einen fünften nachgewiesen: Umami, der fünfte Geschmack! Die entsprechenden Inhaltsstoffe kommen in vielen natürlichen Lebensmitteln vor, zum Beispiel in Rindfleisch, Lachs, aber auch in reifen Tomaten und Erbsen.
Im besonderen aber entstehen sie bei organischen Fermentationsprozessen durch Bakterien: Etwa bei gereiftem Parmesan, sonnengetrockneten Tomaten, Sojasauce, Miso, und eben bei allen Arten von Fischsauce. Glutaminsäure ist ein wichtiger Neurotransmitter und die häufigste Aminosäure im Gehirn; und es ist sicher kein Zufall, dass wir eine eigene Sinneswahrnehmung für diesen Stoff besitzen.
Die Tradition der Fischsauceherstellung ist in Europa seit etwa 1500 Jahren fast völlig ausgestorben – fast! – denn an der süditalienischen Amalfi-Küste wird auch heute noch die Colatura di Alici gebraut, die weitgehend dem antiken Garum entspricht. Angeblich wurde die vergessene Technik von Mönchen im Mittelalter wiederentdeckt.
Ähnliche Geschmacksempfindungen werden auch durch die Verwendung von in Salz eingelegten Sardellen erreicht – und die sind besonders in der Italienischen Küche auch heute noch eine unverzichtbare Zutat.
In Südostasien ist die Fischsaucekultur nach wie vor höchst lebendig und ähnlich wie im alten Rom kann man dort ohne Fischsauce nicht kochen – In Thailand heisst sie Nam Pla, in Vietnam Nuoc Mam und auch in Indonesien, Korea und China wird sie viel verwendet. In vielen asiatischen Kochkulturen ist sie durch die historisch wesentlich jüngere Sojasauce ersetzt worden.
Die besten Qualitäten reifen in Holzfässern wie edler Cognac
Die beste Qualität kommt von der vietnamesischen Insel Phu Quoc. Sie liegt unmittelbar neben der Mekong-Mündung im Südchinesischen Meer. In zahlreichen Manufakturen reift hier die berühmte Nuoc Mam in Holzfässern wie edler Cognac, bis sie in Flaschen abgefüllt wird.
Als Grundstoff wird ausschließlich eine bestimmte Sardelle (Ca Com) verwendet, die nur hier vorkommt. Erstaunlicherweise stinkt das nicht, sondern duftet entfernt nach Parmaschinken. Nuoc Mam aus Phu Quoc ist die feinste und mildeste Sauce, die eigentlich gar nicht nach Fisch schmeckt und die man durchaus pur kosten kann. Gröbere Produkte aus der Fischfermentation wie der berüchtigte kambodschanische Prahok (Khmer Cheese) entwickeln ein Aroma wie überreifer Rotschimmelkäse, aber auch das verflüchtigt sich beim Kochen sehr schnell. Zurück bleiben die salzige Komponente und eine erstaunliche Geschmacksverstärkung.
Die traditionelle Herstellungsmethode beruht auf einer bis zu einem Jahr dauernden Fermentation der eingesalzenen Fische durch Enzyme und Mikroorganismen, die zu einer Hydrolyse des Fischproteins führt und ähnlich wie Sojasauce oder Parmesan natürliches Glutamat bildet, das für den typischen, herzhaften Umami-Geschmack verantwortlich ist. Fischsauce wird in Südostasien – statt Salz – für praktisch alle Speisen verwendet.
Einkaufstipps:
Es gibt noch kein einheitliches System zur Qualitäts-Kennzeichnung von Fischsauce. Mindere Qualitäten sind mit Karamell gefärbt, mit Zucker gesüßt oder mit zusätzlichem Glutamat versetzt.
Die beste Qualität kommt von der vietnamesischen Insel Phu Quoc, die bislang einzige geschützte Herkunftsbezeichnung für Fischsauce. Wir haben ganze Nachmittage in verschiedenen Fabriken auf der Insel verbracht und uns davon überzeugen können, dass dort mit Liebe und Hingabe unverfälschte Produkte hergestellt werden.
Man unterscheidet hier 3 verschiedene Qualitäten nach Graden, je nach Proteingehalt: 20°, 25° und 35°. Je mehr Grade, desto kräftiger im Geschmack.
Immer mehr Asia-Läden bieten Nuoc Mam aus Phu Quoc an. Falls man nicht fündig wird, kann man im Internet bestellen. Fischsauce hält sich ewig.
Einkaufsquellen in Wien:
Prosi Exotic Supermarket, 1070 Wien, Wimbergergasse 5, prosi supermarket
Choo Foodstore, 1060 Wien, Linke Wienzeile 54, choo-foodstore
Die vermutlich beste Qualität aus Phu Quoc haben wir bei 3 Brothers, 1100 Favoritenstraße 178 gefunden, 3 brothers