Keine Frage: die Entdeckung, wie Krankheitskeime funktionieren, hat unser Leben enorm verbessert. Die daraus folgende Hygiene und Entwicklung von Vorschriften und Kontrollen hat die Zahl der Lebensmittelvergiftungen und Infektionen auf einen Bruchteil reduziert. Punkt.
Wir erlauben uns trotzdem, ein bisschen darüber nachzudenken.
Was in früheren Zeiten eine Geisel der Menschheit war, wurde zu einem vergleichsweise überschaubaren Risiko, wenngleich das viel mehr der Verbesserung der Wasserversorgung als der eigentlichen Nahrungsmittel zu verdanken ist.
Kontaminiertes Trinkwasser war das höchste Risiko; Infektionen durch Lebensmittel waren im Vergleich dazu zu allen Zeiten wesentlich seltener.
Das Erkrankungsrisiko durch verkeimtes Wasser ist hierzulande so gut wie ausgelöscht.

1892 gab es in Europa die letzte große Choleraepidemie mit tausenden Toten in Hamburg. Die Ursache war kontaminiertes Wasser.
Nach fast 150 Jahren, seit es die moderne Hygiene gibt, sind ernährungsbedingte Krankheitsausbrüche drastisch zurückgegangen. In Österreich und der EU reduziert sich die Zahl auch heute noch Jahr für Jahr.
erstaunlich wenige ernährungsbedingte Krankheitsausbrüche
Im Jahr 2018 erkrankten in Österreich 222 Personen an ernährungsbedingten Krankheitsausbrüchen, davon mussten 58 im Spital behandelt werden und niemand ist daran gestorben. Bei einer Bevölkerung von fast 9 Millionen und sehr vielen Touristen (150 Millionen Nächtigungen 2018) ist das erstaunlich wenig!
Das ergibt eine statistische Wahrscheinlichkeit von 1 : 40.000, dass man davon betroffen wird. Das ist weniger wahrscheinlich, als 8 mal hintereinander eine 6 zu würfeln. (ages.at/lebensmittelbedingte krankheitsausbrueche)
Das sind aber nur die Fälle, bei denen ein Krankheitsausbruch auf eine bestimmte Infektionsquelle zurückgeführt werden konnte und bei denen mehr als eine Person krank wurde, und wo verkeimte Lebensmittel, die in Umlauf gebracht wurden, von der Behörde nachgewiesen werden konnten.
Einzelfälle ohne einen Ursprungsnachweis sind wesentlich häufiger: 2018 wurden österreichweit etwa 1500 Einzelerkrankungen allein durch Salmonellen registriert. Freilich sind die tatsächlichen Zahlen noch höher und statistisch schwer erfassbar, denn nicht alles wird gemeldet und viele kurieren sich selbst aus.
vermutlich eine große Dunkelziffer, aber sehr selten Todesfälle
Lebensmittelinfektionen verlaufen in der Regel ohne schwere Komplikationen und heilen von selbst wieder aus (selbstlimitierend). Dr. Peter Much von der AGES (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit in Wien) schätzt die Gesamtzahl für Österreich pro Jahr auf etwa 20.000 Erkrankungen durch Lebensmittelkeime (plus einer unbekannten Dunkelziffer).
Etwa 70% der Fälle ereignen sich im privaten, familiären Bereich (wo ja niemand kontrolliert) und nur 30% im gewerblichen – also in Lebensmittelproduktion und Gastronomie (dort wird durch Behörden streng geprüft).
In Anbetracht dessen, dass mehr zuhause gekocht, als auswärts gegessen wird, ist klar dass auch mehr Menschen daheim erkranken. Könnte es sein, dass das Risiko möglicherweise gleich verteilt ist – mit oder ohne Kontolle?
Todesfälle gibt es allerdings nur sehr selten – und wenn, dann sind meist alte, kranke und immungeschwächte Personen betroffen, während ein gesunder Erwachsener zum Beispiel eine Infektion mit Listerien oft gar nicht bemerkt und auch keinen Schaden davonträgt. Und dennoch gibt es durch diese Keime auch Todesfälle – extrem selten aber doch! Auch für Schwangere und Säuglinge kann ein erhöhtes Risiko bestehen. (gesundheit.gv.at/krankheiten/verdauung/lebensmittelinfektion)
Die Wahrscheinlichkeit, bei einem Unfall verletzt oder getötet zu werden, ist um ein Vielfaches höher
Im Vergleich zu anderen Risiken des Alltags ist die Gefahr einer Lebensmittelvergiftung hierzulande sehr gering.
Die Wahrscheinlichkeit, bei einem Unfall verletzt oder getötet zu werden, ist um ein Vielfaches höher. Alleine bei Sport- und Freizeitunfällen kommen jährlich fast 2000 Menschen ums Leben und 600.000 werden verletzt, wobei die Verkehrsunfälle gar nicht mitgerechnet sind. Insgesamt gab es 2018 in Österreich 2551 Tote durch Unfälle. Fast 300 Menschen starben nur bei Bergunfällen – und das, obwohl Menschen deutlich seltener mit Bergsteigen und Schifahren beschäftigt sind, als mit Essen!
Es ist also vermutlich viel weniger riskant, in einer obskuren und grindigen Kaschemme ein aufgewärmtes Gulasch zu essen, als einen flachen Deppenhang mit dem Snowboard runterzurutschen oder einfach Fußball zu spielen. (kfv.at/kfv-unfallbilanz)
Endloser Fortschritt der Sicherheit?
Nun ist natürlich jeder einzelne Fall einer zu viel und die rigorosen Kontrollen haben die Lebensmittelsicherheit ja zweifellos kontinuierlich erhöht – soll die Politik also weitermachen mit ständig neuen Maßnahmen, Vorschriften und Verboten, bis das Risiko bei Null angekommen ist? Endloser Fortschritt der Sicherheit?
Aus der Sicht der zuständigen Behörden, wie Marktamt, AGES, EU-Kommission und WHO ist diese Frage vermutlich mit Ja zu beantworten, denn das ist schließlich ihre Aufgabe und die zuständigen Beamten wollen und müssen statistische Erfolge nachweisen.
Aber völlige Sicherheit ist natürlich eine niemals erreichbare Illusion!
Letztlich gibt es keine absolute Sicherheit; auch nicht, wenn alles lückenlos überwacht wird. Risiko ist ein Teil des Lebens, das bekanntlich immer tödlich endet.
Ist ein Mehr an Sicherheit jegliche Einschränkung wert? Wo ist die Grenze? Vielleicht geht es dabei nur um ein möglichst vernünftiges Maß zwischen zurückhaltender Vorsicht und risikobereitem Lebensgenuss?
Wenn uns der Staat vor allen Risiken schützen will und uns wie eine Glucke streng behütet, dann springen wir eben wie die Flughörnchen von den Bergen, oder bauen Motorräder mit 300 PS, um wirkliches Risiko zu erleben. “Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben” sagt der Volksmund.
Viele sind auch durchaus bereit, “kulinarische Risiken” einzugehen, und essen Rohmilchkäse, flüssigen Eidotter und Muscheln am Strand.
Was kostet uns die Sicherheit?
Nicht nur die Frage, was uns die ständige Erhöhung der Sicherheit bringt, sollte gestellt werden, sondern auch, was sie uns kostet! Denn die Kosten sind hoch. Nicht nur in Form von Geld, sondern vor allem in Form von alltäglichen Zwängen, Einschränkungen und kulturellen Verlusten!
Welcher Aufwand ist gerechtfertigt für die Reduktion eines Risikos
Welcher Aufwand ist gerechtfertigt für die Reduktion eines Risikos, und wie hoch ist das Risiko eigentlich? Werden durch diesen Aufwand kulturelle Traditionen zerstört?
Zumindest bei der Lebensmittelproduktion muss man die Frage mit Ja beantworten!
Allein die notwendigen Investitionen übersteigen längst die Möglichkeiten von kleinen, handwerklichen Produzenten. Wie man unlängst anhand des “Wiener Teigtascherlskandals” feststellen konnte, ist es unmöglich, in einer privaten Küche Lebensmittel für den Verkauf herzustellen, weil hygienetechnische Vorschriften nicht eingehalten werden können (abgesehen davon, dass auch Steuern hinterzogen wurden).
Man benötigt mindestens 2 separate Waschbecken, berührungslose Wasserhähne und Seifenspender, Entlüftungsanlagen, Verbot von Holz, abwaschbare Wände, verpflichtende Fliegengitter (de facto in den meisten Fällen unmöglich), einen gekühlten Verarbeitungsraum (max. 16 Grad), Toiletteanlagen mit separatem Vorraum, Umkleideräume, getrennte Räume für Produktion und Verpackung, selbst feinste Risse in Wand oder Plafond sind unzulässig, räumlich getrennt aufbewahrte Putzmittel, eine lückenlose Dokumentation der Lieferkette, Schlafverbot, keine privaten Lebensmittel, keine Pflanzen, kein Nagellack und so weiter.
Wenn man den Menschen zuhört, die solche Mikrounternehmen im Lebensmittelbereich gerade aufbauen, glaubt man sich in einem kafkaesken Labyrinth verloren!
Konkrete Beispiele aus dem Bekanntenkreis gefällig? – Aus Gründen der Trittsicherheit schreibt das Arbeitsamt einen rauen Boden vor – dann kommt der Hygieneinspektor und verweigert die Bewilligung, weil sich an der rauen Struktur Keime ansammeln könnten. Oder ein kleines Cafe, bei dem die ganze Front im Sommer zur Straße hin geöffnet ist, soll Fliegengitter montieren. Niemand kann erklären, wie die Leute da durchkommen sollen.
Dazu kommen umfangreiche Verpflichtungen zur Dokumentation der Hygienemaßnahmen, Registrierkassen und die verpflichtende Anstellung aller Mitarbeiter, auch wenn es nur um stundenweise Aushilfsarbeiten geht. Der bürokratische Aufwand nimmt oft mehr Zeit und Energie in Anspruch, als die tatsächliche Arbeit.
Mikroproduzenten können die Vorgaben nicht stemmen – für Großbetriebe ist es ein Leichtes
Für kleine Produzenten ohne Kapitalreserven ist die Lebensmittelproduktion damit quasi unmöglich gemacht worden, denn sie können die Vorgaben nicht mehr stemmen.
Für Großbetriebe ist das ein Leichtes, denn auf ihre Produktionsweise sind die Vorgaben ja zugeschnitten und sinnvoll. Außerdem ist die potentielle Gefahr bei Großen weit höher als bei Kleinen, denn im Fall des Falles wären viel mehr Menschen betroffen.
Fazit: wir sehen einer Zukunft entgegen, in der Lebensmittel nur noch industriell hergestellt werden und das kleine Handwerk ausstirbt. Den Kontrollorganen ist das vermutlich ganz recht, denn wenige Großbetriebe zu kontrollieren ist einfacher als tausende kleine!
Schon jetzt gibt es kaum mehr handwerkliche Fleischhauereien, die noch selbst schlachten. Die Tierzucht in kleinen, ökologisch vertretbaren Dimensionen ist so gut wie verschwunden. Die handwerklichen Produktionsweisen, die ja bekanntlich die besten Qualitäten hervorbringen sind ernsthaft bedroht.
Keine handgemachten Teigtascherl mehr in Wien – das ist ein echter Verlust!
Nach den Razzien gibt es in Wien nun keine handgemachten chinesischen Teigtascherl mehr zu kaufen – das ist ein echter Verlust!
Dabei weiß in Asien jeder Mensch, dass Teigtascherl unbedingt von Hand gemacht sein müssen, sonst taugen sie nichts! Und dort funktioniert das auch, und zwar im Kleinen. Hunderttausende Menschen sind täglich damit beschäftigt, Jiaozi, Baozi, Mandu, Momos und Buuz zu falten. Im Freien, in Garagen, in Privatküchen und auf Straßenständen.
Ihr Handwerk hat sich seit Jahrhunderten kaum verändert, auch nicht ihre hygienischen Standards – und das sogar in reichen und hoch entwickelten Städten wie Hongkong, Tokio und Singapur. Sie versorgen hunderte Millionen mit frischen, handgemachten Köstlichkeiten und werden geduldet, weil das Sytem funktioniert und die Menschen dieses Essen lieben. Das Risiko einer Lebensmittelvergiftung ist dabei offensichtlich gering und tragbar.
Denn das traditionelle Kleinhandwerk ist ja auch nicht deppert! Natürlich wird dabei auch die Hygiene beachtet, nur auf eine völlig andere Weise, als unsere modernen, industrie-orientierten Lebensmittelbehörden vorschreiben. So ist zum Beispiel der Wok ein extrem effektives Gerät zur sekundenschnellen Keimabtötung; Ingwer, Knoblauch und Zwiebel wirken antibakteriell und Teigtaschen werden sofort gekocht oder tiefgefroren. Riskantere Zutaten wie Geflügelfleisch werden dabei aus Tradition vermieden.
Riskanter wird es, wenn die Traditionen gebrochen und für die Touristen plötzlich anders als gewohnt gekocht wird, wenn die Speisen stundenlang auf Selbstbedienungs-Buffets vor sich hin brüten.
skin in the game
Außerdem haben Mikroproduzenten immer “skin in the game” – das heißt, sie setzen ihre Haut auf’s Spiel, sind persönlich verantwortlich und riskieren ihren geschäftlichen Ruin, wenn sie Blödsinn machen.
Aus Frust in die Suppe spucken?
Und – ganz wichtig! – sie haben die ständige, selbstbestimmte Kontrolle über ihr Tun und sind achtsam, eben weil sie “skin in the game” haben, und weil ihr Konkurrenzvorteil nur in besserer Qualität bestehen kann, und nicht in Werbung oder Marktdominanz. Sie sind eigenverantwortlich und kein kleines Rädchen einer durchorganisierten Maschinerie. Das macht einen erheblichen Unterschied.
Ein fremdbestimmt trainierter Mitarbeiter eines Großunternehmens könnte aus Frust in die Suppe spucken, weil er seine Vorgesetzten und den Job hasst, ein selbstständiger Hawker tut das nicht.
Das Restrisiko von schwarzen Schafen ist überall dort sehr gering, wo direkte Konkurrenz herrscht. Lange Warteschlangen sind immer ein Zeichen für beste Qualität, selbst wenn der Stand einen grindigen Eindruck machen sollte.
Immer mehr Menschen erschmecken diese Vortäuschungen und wollen “echtes” Essen
Fast alle Menschen, die ich kenne, haben nicht das geringste Problem damit, handgemachte Speisen zu essen, auch wenn sie nicht unter den gesetzlich vorgeschriebenen Hygienebedingungen produziert wurden – ganz im Gegenteil, sie bevorzugen und suchen sie! Denn sie sind generell viel besser als industrielle Erzeugnisse, die ja immer nur Imitate von handwerklichen Originalen sind und die meist mit unlauteren Mitteln der Vortäuschung erzeugt werden. Aufmerksame Menschen erschmecken diese Vortäuschungen und wollen “echtes” Essen.
Gutes Essen für Jedermann
Blöd ist nur, dass das zunehmend in den Luxusbereich abdriftet und nur mehr für Eliten leistbar wird. “Gutes Essen für Jedermann”, wie es auf den Straßenküchen und Hawker Centres Asiens nach wie vor blüht und gedeiht, ist im Westen immer seltener zu finden. Und das nicht, weil kein Interesse daran bestünde, sondern weil rigorose Vorschriften Mikro-Unternehmen wegen eines aufgeblasenen Aufwands nahezu unmöglich machen.
Dort, wo solche Traditionen noch lebendig sind, sind sie eine Chance für einfache Leute ohne Kapitalreserven, um einen Lebensunterhalt zu verdienen und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Wenn die Investition nur in einem Fahrradkarren und ein Paar Töpfen besteht, dann ist das machbar. Diese Mikrounternehmen sind Dank ihres extrem geringen Investitionsaufwands in der Lage, gutes, handgemachtes Essen um sehr günstige Preise herzustellen, sodass sie für Jedermann leistbar sind.
Sie sind eine Chance, um eine kompetente Esskultur und kulturelle Identität hervorzubringen, auch abseits der Luxusgastronomie. Es mag utopisch klingen, aber wir sehen darin eine – bei uns fast brachliegende – ökonomische Möglichkeit. Auch der Tourismus in Sachen Streetfood ist in den letzten Jahren deutlich gewachsen.
Die Streetfood-Szene in den USA mit ihren Foodtrucks und Märkten, sowie die Basken in Spaniens Norden mit ihrer Pintxo-Kultur, zeigen der Welt, wie eine Renaissance des Mikrohandwerks auch in heutigen Zeiten entstehen kann.
Dass sich gesetzliche Auflagen ändern, ist unwahrscheinlich
Nun ist es eher unwahrscheinlich, dass Österreich und die EU die hygienetechnischen Vorschriften in absehbarer Zukunft wieder lockern werden; was einmal den Weg in den Gesetzeskanon gefunden hat, wird man so leicht nicht wieder los.
Klug wäre es, bei den gesetzlichen Vorgaben zwischen Industrie und Kleinhandwerk deutlich zu unterscheiden, was ja auch heute zumindest teilweise der Fall ist: denn was auf vielen Märkten erlaubt ist, ist ausserhalb davon verboten, denn das Marktrecht erlaubt Ausnahmen. Und offensichtlich gibt es auch Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern. Die Lage ist alles andere als übersichtlich!
Vielleicht ein Ausweg: shared kitchen space
Eine realistischere Chance für Mikrounternehmen bieten vielleicht Gemeinschaftsküchen, die die gesetzlichen Auflagen erfüllen. Sich stundenweise einzumieten ist günstiger, als alles selbst zu investieren.
Der Boom des shared space scheint nun auch auf die Lebensmittelproduktion überzuspringen. Es gibt bereits vielversprechende Beispiele:
Quellen:
- AGES Statistiken: https://www.ages.at/themen/ages-schwerpunkte/wenn-essen-krank-macht/lebensmittelbedingte-krankheitsausbrueche/
- Hygienevorschriften bei Fleischverarbeitung: https://www.verbrauchergesundheit.gv.at/lebensmittel/buch/hygieneleitlinien/Fleischer_Neufassung.pdf?6tn4zz
- Unfallstatistik: https://www.kfv.at/kfv-unfallbilanz-2017-unfaelle-im-minutentakt-in-oesterreich/
- Todesursachen Österreich: http://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/gesundheit/todesursachen/todesursachen_im_ueberblick/index.html
- Lebensmittelinfektionen: https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/verdauung/lebensmittelinfektion/salmonellen-therapie
Bravo!
Nicht uneingeschränkt “bravo”:
Gefüllte Teigtaschen (z.B. mit/gemischt mit Schweinefleich oder Garnelen) dürften, gefertigt
unter Wohnungsbedingungen schon problematisch werden. Die Teigtaschen werden vorher oft nicht gekocht/ gedämpft/ fritiert, sondern roh (zumindest der Teig) in Säcklein eingeschweisst und tiefgefroren. In der Wohnung, notabene -wer kontrolliert es wie lange, bei welcher Temperatur und ob die Kühlung nicht unterbrochen wird. Sie wird aber, insofern immer wieder eine neue Ladung hinzu kommt. Die Hygiene des Kühlschrankes/ Tiefkühltruhe ist ebenfalls nicht irrelevant -Bakterien, auch pathogene, können sich auch bei rel. tiefen Temperaturen vermehren. Deshalb kann man Lebensmittel auch bei Kühlung nicht unbegrenzt lagern.
Wenn so eine Teigtasche oder -Rolle dann endlich zum Zubereiten vor dem Kunden kommt, ist es nicht immer gewährleistet, dass auch das Innere (Fleisch, Fisch etc.) wirklich heiss wird.
Und schmunzeln darf man auch noch: Wer ist hier dem Märchen der antibakteriellen Wirkung von Ingwer, Knoblauch, Zwiebel & Co aufgesessen? Noch nie “nicht ganz frisch” riechende geschnittene Zwiebel (Zuckermenge!) an einem Stand gesehen/gerochen?
Fazit für mich: Also ganz sooo hysterisch ist die Lebensmittelbehörde vielleicht doch nicht.
Anders sieht es auch bei einer Teigtaschen-Bude aus, in der alles ganz frisch gefertigt plus stark erhitzt (auch die Füllung vorher) und nicht gelagert wird.
Es ist schon richtig, dass immer etwas passieren kann – aber nicht einmal die strengsten Kontrollen können das restlos verhindern. Trotz aller modernen Hygienevorschriften geht es seit Jahrtausenden vor Allem um Vertrauen. Das Vertrauen auf eine seit zig Jahrtausenden gewachsene Kochkultur. Hätten wir das nicht, könnten wir auch heute im Grunde gar nichts essen. Auch die strengste Überwachung kann niemals verhindern, dass jemand in die Suppe spuckt!
Haben Sie Angst, wenn sie privat zum Essen eingeladen sind oder wenn die Oma eine Faschierten Braten macht? Im privaten Bereich wird gar nichts überwacht und trotzdem vertrauen wir darauf, dass wir nicht vergiftet werden. Das Marktamt hat übrigens bestätigt, dass alle in Wien beschlagnahmten Teigtascherl hygienisch einwandfrei waren.
Und bitte genau lesen: wir haben nie behauptet, dass die Lebensmittelbehörden hysterisch seien, sondern, dass sie aus ihrer Sichtweise genau das richtige tun, und zwar mit Erfolg! Wir machen nur darauf aufmerksam, dass es auch andere Sichtweisen und Interessenlagen gibt. Und wir stellen die Frage, wo eine Grenze gezogen werden soll. Oder sollen wir jede Küche vom Marktamt per 24-Stunden-Videoüberwachung kontrollieren lassen, das würde sie Sicherheit zweifellos weiter erhöhen – irgendwann muss die Frage gestellt werden, was ist gerechtfertigt und was nicht, genau wie im Verkehr (ist flächendeckend Tempo 20 sinnvoll?)
Übrigens wird bei chinesischen Teigtaschen die Füllung niemals vorher gegart, das würde die Speise ruinieren. Das ist so wie mit den österreichischen Bratwürsten, die fast alle vorgekocht sind. Im Vergleich zur italienischen Salsiccia, die ja prinzipiell roh verkauft wird, sind sie dementsprechend trocken und traurig! Als ob man ein Steak vor dem Braten durchkochen würde – aus Sicherheitsgründen!
hysterisch waren nicht die Behörden, sondern die Medienberichte, die von Mafia und illegaler Industrie gesprochen haben – dafür waren die Maßstäbe viel zu klein.
Vielen Dank für diesen Beitrag zum Thema Hygiene bei Lebensmitteln. Ich beobachte auch den Trend, dass immer mehr Menschen authentisch zubereitetes Essen kaufen wollen. Ich habe mal gelesen, dass in der Branche auch Pathogen Testkits eingesetzt werden um die gesundheitlichen Standards einzuhalten – vielleicht wäre eine Ausweitung dieser Tests eine Möglichkeit.