Was die Kochgenossen in der Locanda al Municipio essen:
- Pasta – herrliche, hausgemachte Tagliatelle und Tortelloni, oder das archaische Orzo e Fagioli (Graupen und Borlotti-Bohnen mit klassischem soffritto). Unprätentiös aber souverän gut gekocht, die Aromen fein ausbalanciert!
- Frico di patate – ein altes friulanisches Speiseformat mit Kartoffeln und geschmolzenem Käse, möglicherweise ein Verweis auf die tirolerischen Kaspressknödel, die ja ursprünglich auch mit Kartoffeln, statt mit Knödelbrot zubereitet wurden. Deftige Alpenküche!
- Stinco di vitello al forno – eine im Ofen gebratene Kalbsstelze samt mitgeschmurgelten Kartoffeln und Gemüse.
- Scaloppine di vitello ai funghi porcini – kleine Kalbsschnitzel mit geschmorten Steinpilzen (niemand kann mit Steinpilzen besser umgehen als die Italiener!)
- Insalata mista – wir wollen ja keine Nestbeschmutzer sein, aber so geht Salat! Im Vergleich dazu hat man – kaum eine Autostunde weiter nördlich, auf der österreichischen Seite – wenig Ahnung von diesem Speiseformat. Der durchschnittliche heimische “Gmischte” ist allzu oft ein Trauerspiel. Der Unterschied liegt vor Allem in der Frische und Qualität der Zutaten und im Weglassen von allem Unnötigen, wie Wasser, ominöse Dressings und Fertigprodukte aus der Dose. Hier geht es darum, dass man ein gutes Olivenöl hat und die Zutaten vor Frische und Knackigkeit nur so strotzen. Der Rest ist Nebensache. Schlappe Blätter oder wässrige Tomaten werden zu Recht als Todsünde betrachtet.
Das Tor zum Süden:
Für uns Ostösterreicher hat das friulanische Kanaltal und der Tagliamento eine fast mystische Bedeutung. Ist es doch unser traditioneller Durchgang in das sonnige Italien – und dieser Durchgang könnte spektakulärer nicht sein!
Wenn man aus den schroffen Alpen bei Arnoldstein kommend immer tiefer in den Süden hinuntertaucht, tut sich eine atemberaubende Landschaft auf. Frei und ungezügelt bahnt sich der wilde Fluss seinen Weg über endlos große Schotterbänke zwischen steilen Bergformationen, die von Kilometer zu Kilometer ihren Charakter verändern, bis sich abrupt und plötzlich die große Ebene öffnet. Vermutlich ist der Tagliamento der letzte Fluss der Alpen, der noch völlig ungezügelt fließen darf.
Besonders schön ist die Fahrt, wenn man auf der alten Bundesstraße SS 13, statt auf der Autobahn fährt. Dort kommt man an dem Dorf Venzone vorbei, das bei dem Erdbeben im Jahr 1976 fast völlig zerstört wurde. Heute ist es auf’s Prächtigste wieder aufgebaut. Gleich neben dem Rathauspalast aus dem 14. Jahrundert findet man die Locanda al Municipio.
Das ist das schöne an Europa, dass man sich auf engstem Raum zwischen kulturellen Paralleluniversen bewegen kann
Spätestens dort wird einem klar, dass man in eine komplett andere Kultur eingetaucht ist – alles ist völlig anders als in Österreich. Nicht ein einziges Gericht gibt es da wie dort und selbst die grundlegendsten Kochtechniken unterscheiden sich deutlich.
Das ist das schöne an Europa, dass man sich auf engstem Raum zwischen kulturellen Paralleluniversen bewegen kann. Der erklärte Wunschtraum aller “großen” Marketingfuzzis (von Hilton über McDonalds bis Starbucks), nämlich völlig standartisierte Produkte, die überall auf der Welt gleich schmecken sollen, ist unser schlimmster Alptraum und erklärtes Feindbild. Es lebe die Vielfalt!
Und diese Locanda ist ein wunderbarer Platz, um in der italienischen Küche anzukommen, denn diese wird hier perfekt beherrscht. Es ist eine einfache, aber durch und durch kultivierte Küche, präzise und perfekt ausbalanciert. Ohne Getue, Behübschung und aufgesetzte Originalität.
Ein Detail fällt uns auf: in der Pfeffermühle am Tisch ist kein normaler Pfeffer, sondern der heutzutage doch eher exotische Kubebenpfeffer, der einst in Europa verbreitet war und erst seit dem 17. Jahrhundert mehr und mehr durch den schwarzen Pfeffer verdängt wurde. (siehe auch Kommandosache Pfeffer).
Es ist typisch für Italien, dass die Essgewohnheiten weiter in die Geschichte zurückreichen, als überall sonst.
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